Tage 7, 8 und 9 – Le Bonnetes, Mont Lozere und Le Pont de Montvert

Am 28.5. wichen wir am Nachmittag von der Stevenson-Route ab und wanderten durch einen schönen, dichten Wald zum Gite de l‘ Escoutal von Nathalie in Bonnetes. Ein Ort, der wie verwunschen abseits aller Wege liegt und aus unserer Richtung kommend leider nicht ganz leicht zu finden war. Doch die Ruhe und die Abgeschiedenheit, der persönliche Charme und die ganze Atmosphäre waren jeden Schritt und jedes Eselandrängeln wert.

Katzentisch

Nassis ist bestens versorgt und bekommt für die gewittrige Nacht sogar artgerechte Gesellschaft. Nathalies alter Esel, fast 40, leistet meinem Grauen Gesellschaft und ich werde am Kamin zum Abendbrot sehr lecker bekocht.

Am nächsten Morgen, es ist der 29.5. machen wir uns zeitig auf zum Mont Lozere und Nathalie ermahnt mich zu mehr Strenge. Nassis soll und muß arbeiten – auch wenn wir gut und schnell vorankommen – muß ich wohl noch strenger sein und er soll nicht so viel fressen. Ihm das beizubiegen wird schwer, sehr schwer, doch die Ankunft in Mont Lozere ist ein Kinderspiel. Nassis bewältigt die ersten 5 km in genau einer Stunde und zum Dank kaufe ich ihm im Supermarkt in Bleymard einige Möhren und mir was Süßes, was er auch sofort ausprobieren will. Nichts da, du alter Esel. Nein die Dame, es ist kein schwangeres Eselmädchen, es ist ein zu dicker Eselboy. Glauben sie es ruhig. Niemals würde ich eine Dame mit meinem Gepäck beladen. Nun lauf mein Esel. Und wie der läuft. Die Uhr schlägt 15 und ich liege im Le Refuge in der Wanne. Das Wetter ist mäßig und kalt, doch das Abendbrot wie schon in den anderen Unterkünften zuvor ganz ausgezeichnet und mein Nassis hat sogar einen richtigen Unterstand.

Auf nach Le Pont de Montvert

Gipfel

Punkt 7:12 biegen wir auf die Straße, auf deren anderer Seite die Pferde in ihrer Koppel nur schemenhaft zu erkennen sind. Der Wind treibt den feinen Wasserstaub mit Wucht über die Landschaft. Nur einige Meter und wir biegen von der Straße auf den Wiesenweg, den wir hoch zum Sommet de Finiels (1699 Meter) wandern werden. Nassis läuft und läuft … unglaublich, nach etwas mehr als einer Stunde stehen wir auf dem Gipfel und sehen nichts – die Welt um uns herum verschwindet im Nebel und dem tosenden Sturm, der Regen peitscht ins Gesicht, wir flüchten und verlassen den Berg in Rekordzeit.

(Der ganze Tagebucheintrag dann später, von zu Hause aus. Jetzt nur noch einige Bilder vom Weg nach Le Pont de Montvert, weil es der bisher schönste Tourabschnitt war.)

Im Ginster Schäfchenwolken Montvert

Tage 5 und 6 – Cheylard L’Eveque, La Bastide-Puylaurent und Chasserades

Cheylard L’Eveque 

Die Unterkunft im Refuge du Moure war allein die Reise wert, der Abend im Speisesaal mit all den anderen, freundlichen WanderInnen, mein Platz am Tisch mit den vier netten Damen (siehe Foto im vorangestellten Beitrag) das mehrgängige Menu und die schöne Lage des Ortes. Einfach nur zauberhaft. Am Morgen dann die erste Schrecksekunde des Tages: Ich gehe zur Koppel, Eselchen weg. Als wenn ich es schon geahnt hätte. Schlimmstes befürchtend gehe ich zurück ins Dorf, wo mir Nassis freudestrahlend entgegenkommt. Die gesammte Front des kleinen Cafes hat er verwüstet. Alles was dort angeplanzt war ist weg und kahl und leer. Voller Angst schaue ich mich um, nehme meinen Donkey am Ohr, bepacke ihn in windeseile und bevor das Dorf erwacht begeben wir uns auf die lange Etappe nach La Bastide-Puylaurent

Wir sind zuerst schnell unterwegs und erreichen nach kurzer Zeit schon das erste Etappenziel LUC. Das kommt von lucus (heiliger Hain) und die außerhalb des gleichnamigen Ortes gelegene Burgruine gehört zu den frühsten Besiedlungsorten des Gévaudan.

In Luc

Während des 30jährigen Krieges wurde die Burg geplündert (angeführt von einem Herrn, den wir alle wohl aus den 3 Musketieren kennen: Kardinal Richelieu.) Danach ging es stetig bergab mit der Garnison und später wurde der Haupturm, mit seiner Marienstatue weithin sichtbar, in eine Kapelle verwandelt.

Anschließend geht es ins Dorf LUC und dann weiter auf dem Stevenson Weg, was ein großer Fehler war. Wir latschen über einen Berg, der an der gleichen Stelle ankommt wie die viel leichter zu bewältigende Straße, lassen uns von vier völlig cholerischen Hunden (von denen es einer über den Zaun schafft) in die Flucht schlagen und obwohl ich beide Angreife abwehren kann, ist mein Nassis in seiner Not auf und davon in den Wald gestürmt, wo ich ihn nach gut einer Stunde suchen noch immer zitternd fand.

Danach haben wir uns einmal verlaufen und sind nach über zehn Stunden am Ziel in La Bastide-Puylaurent im Hotel La Grande Halte angekommen. Das Hotel klingt nach mehr als es ist. Doch für meinen Nassis ist bestens gesorgt, das Abendbrot ist absolut ok und ich sinke nur wenig später in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen zuerst ein Blick aus dem Fenster und siehe da, mein Houdini ist wo er hingehört, spitzt die Ohren und stimmt ein freudiges I Ahhh an. Ein Anblick der das Herz erwärmt. Es ist nicht das schicke Auto, was man vor dem Hotel parkte. Nein, es ist der Esel hinterm Haus.

Koppel La Bastide

Frühstück, striegeln, bürsten, Hufe pflegen, Satteldecke, Tragegestell, Packtaschen links und rechts, Leckerlis, Rucksack auf und los. Wir haben 4km Anstieg vor uns und auch wenn es nur ca. 12km sind, heißt das nicht, daß wir trödeln. Nach 2 Stunden sind wir oben auf dem Berg und machen ein Picknick. Der Esel wird entlastet, darf sich tummeln und ich zücke den Fotoapparat, gehe einige Schritte und höre das Geräusch einer Getränkedose, die zerknautscht wird. Ich fahre herum und sehe noch wie sich der Unhold meine letzte, blaue Dose RedBull mit seinen spitzen Lippen gegriffen hat. Da steht er nun da, Kopf nach hinten und läßt sich den Inhalt (ich wußte, es war ein Fehler, sie offen stehenzulassen) in den Hals laufen. Der schluckt nicht mal. Na warte Freundchen. Wer so was trinkt muß Leistung zeigen.

Es war noch ein schöner Spaziergang durch den Wald,

Waldbild1

die Wiese mit den Butterblumen, die alle gefressen werden wollen …

Auf Wiese1

und am Ziel in Chasserades, im wundervollen Hôtel des Sources, komme ich auch zu etwas Erfrischung und Ruhe.

Perrier Mint

Bis hier her.

Tag 3 – unterwegs im Gévaudan

Langogne – Fouzilic – Fouzilac – Cheylard L’Eveque

Eine recht kurz, sehr schöne Etappe. Waldreich, gut zu wandern, manchmal stelle ich mir vor, wie hier die Bestie des Gévaudan ihr Unwesen trieb. Von Angst und Düsternis kein Spur. Mein Eselchen läßt es gemütlich angehen und da wir alle Zeit der Welt haben, lasse ich ihm sein Tempo und mahne nur hin und wieder zu etwas Schwung.

Im Wald

Heute waren wir bis auf wenige Momente wirklich ganz für uns. Still und gelassen liefen wir nebeneinander, Rauferein gab es keine mehr und wenn er es mit seiner Fresserei zu dolle trieb, hab ich ihn einfach etwas geschubst.

Eseltreffen

Gründe für ein Innehalten gibt es scheinbar viele. Die meisten bleiben mir ein Rätsel und ich ermahne mich selber oft zur Geduld. Erst heute Morgen hielt er plötzlich inne und starte in einen Garten, wo zwei ältere Damen sich um ihr Gemüse bemühten. Zuerst verstand ich nicht, was es da zu sehen gab, doch dann bemerkte ich, wie die eine ganz in rot gekleidet einen roten Eimer benutzte und die andere ganz in grün mit einem grünen Eimer hantierte. So etwas muß man sich doch in Ruhe angucken. Keine Frage und wenn dann plötzlich andere Esel hinterm Zaun auftauchen … machen wir halt eine Pause.

Abendbrot

Abendbrot im „Refuge du Moure“. Wobei Abendbrot für ein solches Menu wirklich nicht das passende Wort ist. Meine Wanderung ist zugleich eine kulinarische Reise. Es ist wundervoll und wo immer ich auftauche, freuen sich die Menschen, fragen nach dem Esel und wie lange wir uns schon kennen. Noch nicht lange genug und doch sind wir schon Freunde.

Kurze Statusmeldung – Tag 1&2 – Nassis und Erik auf Tour

Le Monastier sur Gazeille, Goudet, Bouchet St. Nicolas

Wir haben uns zusammengerauft und er war ein dickköpfiger Gegner. Doch nun steht fest, wer Esel und wer Boss ist. Wir hatten stehenbleiben, flüchten, alle 20 Meter anhalten, rückwärtslaufen, trödeln, schleichen, schnaufen, das volle Programm und ich habe zu keiner Minute mein Ziel aus den Augen verloren. Ich habe ihn durch steile Abhänge und schwierige Aufstiege geleitet, manchmal auch getrietzt, ich habe ihn vor Hunden beschützt und ihn sicher im Straßenverkehr geleitet. Jetzt verläßt er sich auf mich und heute haben wir 30km geschafft.

Startbild in Monastir

Das erste Bild. Fünf Minuten später waren wir auf uns allein gestellt.

Bouchet St. Nicolas – Langogne

Inzwischen sind wir ein Team. Nassis hat akzeptiert, dass er mir folgen muß und er vertrat mir. Ich habe ihn auch nicht mehr kurz am Führstrick sondern laufe mit einem langen Zweig wedelnd hinter ihm her (wenn er trödelt) oder bin neben ihm und er folgt mir wie ein Hündchen. Dafür lasse ich ihn fressen was er will und er frißt permanent. Er beherrscht die Kunst des fressenden Laufens oder wohl eher umgekehrt und hinterläßt dabei eine Spur der botanischen Verwürstung. Ihn im Cafe am Zaun anzubinden war ein Fehler, weil die Blumenkästen jetzt wieder kahl sind und die beiden Rosenstöcke rechts und links der Tür vor dem nahegelegenen Touristenbüro werden dieses Jahr wohl keine Blüten tragen – alle Knospen und die jungen Triebe, alles abgefressen. Wie, sie hatten da auch einen Kübel mit Ziergras? Können sie das beweisen? Ich seh da nichts mehr. Na bei Gras macht mein Esel keine Unterschiede … aber das da, das können sie gut als Dünger für den zweiten Ziergrasversuch benutzen. Nichts für ungut, aber wir müssen jetzt weiter. Eilig verlassen wir Pradelles, ein Ort, der unglaublich schön gepriesen wird. Mein Esel hat alles ruiniert.

Im Cafe

Mehr gibt es erstmal nicht zu berichten. Ich bin in wunderbaren Hotels untergebracht, werde mit mehrgängigen Menüs verwöhnt und wenn ich heute aus dem Fenster schaue, sehe ich meinen Grauen auf der Weide. Was könnte es schöneres geben und morgen ist es nur eine kurze Etappe von 15 km. Da sind wir zum Mittagessen mit durch.

Angekommen in Le Plagnal

Marie meinte vorhin, ich wäre jetzt bis morgen der König auf dem Eselhof. Ich herrsche also über 26 Esel, Gänse und Hühner, einen riesigen Hund, Haus und Hof und weiß inzwischen, wie das Tragegestell auf dem Rücken eines Esels befestigt wird. Ich bin da. Glücklich angekommen in Le Plagnal auf dem Hof LE MAS DES ÂNES von Marie und ohne es zu wissen, hatte ich gleich Kontakt zu meinem Esel. Kaum hatte ich den Motor abgestellt pochte etwas von draußen an die Scheibe und nur Augenblicke später schob sich ein großer Eselkopf zum Seitenfenster rein.

Nazir1

Maries Freund, ein Kanadier mit dem ich zum Glück engl. sprechen kann, hat mich inzwischen in allen wichtigen Dingen unterrichtet, die erste Trainingsrunde von gut 5 km haben wir gemeistert und morgen fährt Marie uns – Esel Nassis und mich – mit dem Auto zum Startpunkt nach Le Monastir-sur-Gazeille. Schön.

Nassis macht Pause

Link siehe Seitenleiste: Les Mas Des Ânes.

Eselblog und Eselshaut – „Peau d‘ âne“ – „Allerleirauh“

Zum Sonntag nur fix eine nette Postkarte. Selbst als Werbefigur ist der Esel bestens geeignet. Allerding hätte ich lieber ein Trockenschampoo beworben. Und während ich so in der Wanne sitze, an den wasserscheuen Leo denke, deshalb der Hinweis mit dem Trockenshampoo, die Tage bis zum Reisebegin zähle und mir die Postkarte genau anschaue, fällt mir doch ein, womit hier sprachlich gespielt wird: „Peau d‘ âne“ Eselshaut, oder besser als „Alerleirauh“ bekannt.

(Pedro l' âne, Amandine Piu, Les Editions de Mai)

(Pedro l‘ âne, Amandine Piu, Les Editions de Mai)

Aber vielleicht kennt jemand das Mächen „Die Eselshaut“ von Charles Perrault – bei uns als „Allerleirauh“ – und genau mit diesem Titel, im franz. Original „Peau d‘ âne“ spielt die abgebildete Postkarte. 1970 wurde das Märchen mit Catherine Deneuve und Jean Marais verfilmt (es gibt auch eine deutsche Verfilmung. Regie C. Theede, 2012).

Das Filmplakat zu Allerleirauh.

Das Filmplakat zu Allerleirauh.

„Peau d‘ âne“ ist ein recht altes Märchen. Wann genau Charles Perrault (Dichter und Beamter des Königs) es schrieb weiß ich nicht, aber da Perrault zwischen 1600 und 1700 lebte, kann man sich ja was zusammenreimen. Und einige seiner Märchen wurden von den Gebrüdern Grimm übernommen. Ersonnen und geschrieben haben sie es nicht.

Die Handlung des Märchen ist fix erzählt. König und Königin, ein verwunschenes Land, Königin liegt im Sterben und ihr Mann verspricht ihr, niemals eine Frau zu heiraten, die weniger schön ist als sie … zu dumm, denn die einzig hübsche Frau im Land ist die eigene Tochter, die Prinzessin, welche von einer guten Fee namens Lilas beschützt wird. Schließlich will der König ja einen männlichen Erben. Es geht dann eine ganze Weile hin und Herr und die Prinzessin flieht, verkleidet mit der Eselshaut, aus dem Königreich, verdingt sich als Schweinehirtin, lernt als Schweinehirtin einen jungen Prinzen kennen (hier wird es unglaubwürdig) und am Ende wird alles gut. Eselshaut, so nennt man die schweinehütende Prinzessin, bekommt ihren Prinzen und Erik geht jetzt tanzen.

 

Im Eselbook ein Eselsohr

Ob der Begriff Eselsohr wirklich auf Andreas Greif zurückgeht weiß ich nicht, aber ein anderer Hinweis auf die in Büchern oder Zeitschriften umgeknickte Ecke, im Sinne der besseren Auffindbarkeit, ist mir nicht bekannt:

drein setzt er manche hand und stern und eselohr und  durchgeflochtenes Band.

Eselohr

Greif, der als wichtiger Dichter des deutschen Barock zu nennen ist, dürfte wohl eher unter dem Namen Gryphius bekannt sein.

Das Eselsohr ist natürlich eine Erinnerung, eine Merkhilfe und Hinweis, ein folium libri complicatum (Blatt, Buch, gefaltet) wie im Wörterbuch der Gebrüder Grimm nachzuschlagen ist. Wo auch steht, daß selten ein Buch ohne Eselsohr zu finden ist und damit wohl weder Mensch noch Buch ohne Tadel/ Fehler sind. Das Eselsohr ist also ein Fehler! Ein Fehler, weil es ohne die Merkhilfe nicht geht, weil die umgeknickte Seite des Tadels würdig erscheint – wer sich etwas nicht merken kann, ist halt ein Esel.

Doch ein richtiges Eselohr ist sehr hellhörig und wunderbar flauschig.

Ohren1

Das Eselblog Eselbook jetzt mit Fotogalerie

Noch ist es nicht ganz perfekt, aber die Bildergalerie mußte noch mal neu eingebunden werden. Hier der erste Test mit dem neuen Plugin.

Leo mein Übungsesel