Eselwanderung in der Uckermark – Teil 2

Läuft

Tag zwei beginnt mit einem umwerfenden Frühstück und reichlich Fellpflege für Elias. Da es mir unmöglich ist meine Sachen zusammenzupacken – ein kleines Kätzchen hat sich die Tragetaschen als Schlafplatz auserkoren – kümmere ich mich um den Esel und laß die Miezekatze noch etwas schlafen. Hufe, striegeln, bürsten, Ohren kraulen und am Arsch kratzen, Möhre, schnell noch einen Schluck Tee für mich und erst dann geht es los. Wenn der Schlafgast jetzt noch pennt, wird er mit eingapackt.

Ich verabschiede mich von meinen Gastgebern, bedanke mich für die gemütliche Unterkunft und das fantastische Essen, nehme Elias am kurzen Führstrick und verlasse zügig den Ort. Links aus dem Grundstück, zweimal rechts um die Dorfkirche von Biesenbrow herum und schon sind wir wieder auf unserem Wanderweg. Die alte Kirche sollte man sich aber unbedingt anschauen, bevor man den Ort verläßt. Der Feldsteinbau ist beeindruckend und an vielen Stellen wird sichtbar, wie wechselnde Moden und Interessen, vielleicht auch Kriegszeiten und andere Schicksalsschläge, dem Bauwerk immer wieder ein neues Gesicht verliehen. Das Haupthaus aus Feldsteinen sieht sehr frühgotisch aus und ich schätze die Bauzeit auf den Anfang des 14. Jahrhunderts. Der Turm samt Abschluß dürfte nach dem Dreißigjährigen Krieg dazugekommen sein und so wie die Kirche sich heute darstellt, hat man vor hundertfünfzig oder zweihundert Jahren noch einmal richtig Hand an den Bau gelegt. Der Dachstuhl ist recht modern. Es ist auf jeden Fall ein stolzes, würdevolles Gotteshaus.

Elias fängt über all meinen kulturhistorischen Betrachtungen an zu naschen, mir selber ist nach Espresso und als wir wenige Meter hinter der Kirche rechts auf die alte Trasse der Kreisbahn einschwenken, nehme ich dem Esel die Taschen ab, setze mich auf eine Bank und koche erstmal Kaffee. Eilig habe wir es heute nicht. Möhre?

Vor uns liegt ein zauberhafter Weg auf dem alten Bahndamm der 1905 in Betrieb genommenen Kreisbahn. Ich weiß nicht genau, wie sich die ganze Strecke zusammensetzte, doch mit Stettin auf der einen und Prenzlau auf der anderen Seite verband die Bahnstrecke zahlreiche Orte der Uckermark: Gramzow, Golm, Biesenbrow und Schönermark, um nur einige zu nennen. Wenn ich es richtig weiß, fuhren hier Züge bis Ende der 70er Jahre. Heute überwuchern Büsche und Bäume die alten Gleise, nur hier und da schauen alte Schwellen aus dem Boden hervor. Die Zeit hat der Natur in die Hände gespielt und längst haben sich Tiere und Pflanzen die Orte des Zugverkehrs zurückgeholt. Komm du lieber Esel, ich will mich bewegen.

Ich lege Elias den Führstrick über den Rücken, stecke den Regenschirm griffbereit in eine der Taschen – der Himmel sieht grau und trübe aus – schiebe den Esel einmal liebevoll an und schon geht es los. Was für ein toller, romantischer Weg. Brav läuft Elias vor mir her und naschen darf er so viel er will. Wir haben wir uns auf einen guten Wander-Rhythmus geeinigt: Er läuft drei, vier Meter vor mir und hat damit genügend Zeit, hier und da ordentlich etwas abzubeißen. Hole ich ihn ein, wird er angeschoben. Wobei ich den Eindruck habe, daß er manchmal absichtlich trödelt. Er mag es, wenn ich ihn von hinten umarme und ordentlich drücke. Komm! Beweg Deinen Hintern. Flott sind wir unterwegs. Nach einer Stunde erreichen wir eine Straße (die L 285) und erst hier übernehme ich wieder die Führung. In Ziethemühle überqueren wir einen beschrankten Bahndamm, halten uns dahinter rechts und folgen dem Weg in Richtung Frauenhagen. Legen nach zwei Stunden eine größere Pause ein und hier entsteht auch das Bild von Elias im Wartehäuschen.

Noch ein paar Schritt in Richtung Frauenhagen, dann geht es rechts weg und wir hähern uns der Breitenteicher Mühle … der Welse. Wir befinden uns am Rande des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin, vor uns rauscht die Welse und ich bestaune die alten Gebäude der Mühle, die heute ein Seminarhaus beherbergt. Mittend im Wald, ruhig und abgeschieden, man möchte die Welt um einen herum vergessen, stehe ich zusammen mit einem Esel und träume vor mich hin. Elias hat einen alten Pumpschwengel entdeckt und kratzt sich nach Herzenslust den Pelz. Ein Kanu liegt verlassen am Ufer, irgendwo bellt ein Hund. Kein Mensch zu sehen, wir sind allein. So habe ich mir das vorgestellt. Genau so.

Ich lege noch eine weitere, kleine Pause ein, damit wir nicht schon zum Mittagessen das nächste Ziel erreichen. Dieser kleine Esel mit seinen kurzen Beinchen läuft so perfekt … komm mal her, ich mach Dir die Ohren. Nicht ganz so schnell.

Die letzten Meter sind nicht der Rede wert. Welsow, die Ferienwohnung am Froschteich, erreichen wir Punkt 14 Uhr. Ein großer Garten, ein Hofhund und mehrere Katzen, Karnickel im Stall, Hühner, Enten, weiter hinten ein Pferd, ein Ponny und ein Ziegenbock, eine Unterkunft für Elias und im Hof, an einem großen Tisch, Hermann und Kalle: Willst`n Bier? Mit einem Schlag ist man willkommen, fühlt sich zu Hause und weil ich kein Bier trinke, gibt`s Limonade und selbstgemachten Quittenwein. Ich beziehe im Quergebäude mein Zimmer, stecke dem Esel noch ein paar Möhren zu und setze mich zu Kalle in den Hof. Wir haben auch Schnaps! Aus Quitten? Nur immer her damit. Als Hermann, er war wegen einer Besorgung kurz weggefahren, wiederkommt stoßen wir gemeinsam an und machen dem Quittenschnapps aus eigener Produktion der Garaus – köstlicher Stoff – und anschließend werden die Aufgaben für den Nachmittag verteilt. Kalle kümmert sich ums Abendbrot und Hermann und ich bauen im Garten eine Bühne auf, damit am Sonnabend die Geburtstagsfeierlichkeiten zu Hermanns 70. auch ordentlich mit Karaoke besungen werden können.

Also auf und ordentlich in die Hände gespruckt. Hermann zaubert riesige Gerüststangen, eine Schubkarre voller Kupplungen, Werkzeug, Bretter, Sprühöl, Leitern und eine Plane hervor. Frisch ans Werk und was könnte es Schöneres geben als erste Fachkenntnisse in Sachen Gerüstbau. Wenn ich schon mal hier bin.

Sag mal Hermann, is hier noch ne Wohnung frei? Kalle redet von Wildschweingulasch mit Ratatouille und Klößen, Hermann und ich ziehen die Plane über unser Bauwerk und während das Tageslicht verschwindet sitzen wir am Gartentisch und essen Abendbrot. Richtig was geschafft heute. Mit dem Esel gewandert, eine Bühne aufgebaut und jetzt dieses absolut perfekte Abendbrot. Der Gulasch zergeht auf der Zunge, das Gemüse ist ein Gedicht und die Klöße sind so perfekt, wie die von Oma in meinen Erinnerungen. Sogar frische Semmelbrösel hat dieser freundliche Mensch mit hineingesteckt. Hermanns Tochter setzt sich zu uns, ein junger Mann – sein Sohn – kommt mit seiner Freundin um auch etwas vom Abendbrot abzubekommen und wenig später liege ich glücklich, satt und zufrieden in meinem Schlafsack. Ich habe sehr freundliche Menschen kennengelernt. Danke für diesen wundervollen Tag. Hier war ich nicht einfach der Gast, dem alles nur hingestellt wird. Nein, für diesen Nachmittag und diesen Abend war ich Teil der Familie.

Und hier die restlichen Bilder des zweiten Wandertages.

Eselwanderung in der Uckermark – Teil 1

Elias

Es ist ein trüber Mittwochmorgen. Nieselregen, grauer Himmel und während die Scheibenwischer lauter feinen Tröpfchen zur Seite schieben, gehe ich in Gedanken all meine Utensilien durch, die ich für die drei kommenden Tage eingepackt habe: Schlafsack, Handtücher, Kosmetikbeutel, Wechselklamotten, Camping-Gaskocher, Topf, Thermoskanne, Espressoglas, Plastikschüssel, Besteck, Instant-Espresso und eine Tube Milchmädchen. Dazu Teebeutel, Lesebrille, Ladekabel, iPad, Regenjacke, Taschenmesser, Campingleuchte und Möhren. Ja, richtig gelesen! Möhren. Schöne, kleine Möhren. Habe ich etwas vergessen? Wozu die Möhren?

Einzeln habe ich alle Gepäckstücke ausgewogen und absolut gleichmäßig auf zwei wetterfeste Taschen verteilt. Insgesamt 18 kg Gepäck und einen kleinen Teil – die wichtigsten Dinge – trage ich selber auf dem Rücken. Der Esel, der mich auf dieser Wanderung begleiten wird, hat also wirklich nicht viel zu tragen. Jede Tasche wiegt 8kg. Die Möhren sind für ihn.

9:30 erreiche ich Flieth-Stegelitz, halte vor dem Regionalladen bonUm gustUm (guter Geschmack), wo sich auch die Eselstation von (Celine Aktiv Reisen) befindet, und werde freundlich von Katrin von Zwoll begrüßt. Ihr habe ich es zu verdanken, daß ich noch einmal – bevor ein neuer Abschnitt in meinem Berufsleben beginnt – in Begleitung eines Esels an die frische Luft komme. Durchatmen, wandern, in Ruhe und allein ins weite Land schauen. Mehr nicht. Ich liebe die platte Uckermark, wo man schon am Donnerstag sehen kann wer sonnabends zu Besuch kommt. Was für einen Esel werde ich bekommen?

Ich weiß, es ist ein Privileg, eine Ausnahme ist. Die meisten Anbieter von Eselreisen geben ihre Tiere nie allein in die Hände einzelner Personen. In aller Regel gibt es für ein paar Leute immer zwei Esel. So sind die Tiere nicht allein und zusammen mit den Menschen entsteht automatisch eine kleine Herde – nichts lieben Esel mehr. Zumal nicht alle Tiere für ein-Mensch-ein-Esel-Touren geeignet sind. Diese Kombination ist immer schwierig und ich bin sehr dankbar für dieses Entgegenkommen. Wenn wir uns nicht kennen würden und Katrin nicht wüßte welche Erfahrungen und Kenntnisse ich mit Eseln habe, dann wäre es auch nichts geworden. Es ist eine Ausnahme.

Aber erstmal Espresso, etwas quasseln, Katrin drückt mir eine Karte in die Hand und erklärt mir meine Route. Es ist wie ein kleines Überraschungspaket. Denn erst jetzt erfahre ich, welche Wege wir gehen werden und wo wir übernachten. Grünheide, Schmiedeberg, Biesenbrow und eine Übernachtung in der Pension Die Kleine Schäferei. Weiter über Ziethenmühle, vorbei an Frauenhagen, Breitenteicher Mühle nach Welso zur Pension am Froschteich, wo ich wieder übernachten werde. Tag drei führt über Görlsdorf durch den Lenné-Park Görlsdorf, von wo wir dann beide abgeholt werden. Ein schönes Program und für mich ganz neue Wege. Nur so langsam werde ich hippelig und will endlich wissen, mit welchem Esel ich wandern darf. Auf geht’s in Richtung Eselkoppel, wo ich erstmal das gestern frischgeborene Eselbaby bestaune. Grau mit einer weißen Nase hoppelt es bereits munter immer dicht um die Mutter herum. Kleine Eselkinder sind unheimlich charmant. Einfach entzückend. Dann stellt mir Katrin die drei Esel vor, die alleine mit einem Menschen wandern können und relativ schnell entscheide ich mich für Elias. Ein kleiner Eselmann, der mir irgendwie auf Anhieb sympathisch ist. Ich hänge den Führstrick ins Halfter und gemeinsam verlassen wir die Koppel in Richtung Hänger, wo mir Katrin das System der Tragetaschen erklärt. Sie hat eine federleichte Tragetaschen aus Sisal anfertigen lassen, die dem Esel über den Rücken gelegt wird. Keine Gurte, darunter eine leichte Stoffdecke und wenn man gleichmäßig pakt, dann rutscht da auch nichts. Total perfekt. Wozu sollte ich diesem kleinen Esel ein schweres Holzgestell, welches auf einer dicken, schweren Sattelunterlage liegt, mit Riemen um den Bauch fest auf den Rücken schnallen? Hier in der Uckermark sind die Wege glatt, Abstiege mit kleinen Sprüngen – so wie in Frankreich auf dem GR70 – sind nicht zu erwarten und wenn die Ladung verrutscht, dann werde ich wohl nicht gleichmäßig gepackt haben.

Nur Minuten später folgt Elias mir ohne Probleme in den Hänger, mein Gepäck kommt mit ins Auto und schon fahren wir gemeinsam zum Startpunkt in Richtung Grünheide, wo Katrin sich nach einigen Metern von uns verabschiedet. Wir sind allein. Laufen einen leicht ansteigenden Waldweg entlang und sogar das Wetter wird freundlicher und heller. Elias läuft brav neben mir und ich halte Ausschau nach einem Pausenplatz. Katrin von Zwolls Tiere sind darauf konditioniert etwa 40 Minuten nach dem Start eine ordentliche Frühstückspause zu bekommen und da spricht auch von meiner Seite nichts gegen. Da links, dort wo der Feldweg abzweigt, da werden wir rasten. Gepäcktasche runter – was bei dem System ca. 2 Sekunden dauert -, der Esel tritt ans Wiesenbuffet und ich bereite mir einen Espresso.

Was für ein Leben. Blauer Himmel und dazu eine Mischung aus Sommerresten und Herbstvorboten. Genau so habe ich mir das vorgestellt. Satt? Weiter? Na dann los. Ich nehme den Führstrick, stelle mich abmarschbereit neben Elias, deute einen kurzen Ruck mit dem Führstrick an und schon setzt sich der Graue in Bewegung. Wahnsinn. Bei dem springt der Motor aber leicht an. Ich freue mich des Lebens und Seite an Seite erreichen wir nach kurzer Zeit das Örtchen Grünheide. Häuser links, Häuser rechts, ziemlich viele Appelbäume und das war es dann auch schon. Wenn da nicht diese fetten, saftigen Wiesen mit Obst wären. Warum eigentlich habe ich den Führstrick nicht in der Hand? Zack, das Eselchen macht einen Sprung nach rechts auf die Wiese und fängt an zu fressen. Na warte Freundchen, wir hatten grad eine Pause. So nicht! Nicht mit mir! Ich greife mir den Führstrick doch der Esel stellt sich stur. Ich gebe Spannung auf den Führstrick und hindere ihn am Fressen. So geht’s nicht. Er darf jetzt wirklich nicht auf die Idee kommen, dass solche Eigenheiten Erfolg haben. Wir stehen uns gegenüber und warten wohl beide auf die Reaktion des Anderen. Kräftiges ziehen hilft zwar nur selten, doch die unangenehme Situation wird erst beendet, wenn Elias einen Schritt macht. Wobei ich nicht ziehe und zerre, das bringt ohnehin nur selten was, sondern ihn einfach nur daran hindere hier den Rasenmäher zu spielen. Ich habe Zeit … der Esel scheinbar auch. War die Pause etwa doch zu kurz? Habe ich einen Fehler gemacht, weil ich nicht darauf wartete, bis Elias sichtbar satt war? Hätte ich auf die Uhr schauen müssen? Trotzdem kann ich ihm das jetzt nicht so einfach durchgehen lassen. Das wäre das falsche Signal. Vielleicht hilft eine Kreisbewegung? Einmal linksherum, einmal rechtsherum und schwupp, schon steht der Esel wieder. Hilft leider auch nicht, der Kleine hat ein Kämpferherz – das muß ich ihm lassen. Ich gebe aber auch nicht gern auf und da ich weiß wo bei den meisten Eseln die Schwachstelle sitzt, springe ich urplötzlich nach hinten, klatsche laut in die Hände, brülle richtig dolle und schiebe den Esel einmal kurz an. Prima, das funktioniert. Lustlos setzt Elias sich in Bewegung, schaut wehmütig auf die schöne Wiese und versucht manchmal etwas abzubeißen. Aber laufen und gleichzeitig fressen ist nicht seine Art. Komm Du Esel, bei der nächsten sattgrünen Wiese bekommst Du einen Nachschlag. Nur ich sage wann und wo. Du bist der Esel.

Gemächlich verlassen wir die Obstanbaukolonie mit angeschlossenem Dörfchen und ziehen weiter Richtung Schmiedeberg. Das Wetter wird leider etwas trübe und sorgenvoll blicke ich in den grauen Himmel. Doch was soll`s. Wir beide sind nicht aus Zucker, da vorne steht ne Bank in der Landschaft und nun hau Dir den Wanst von mir aus so voll wie es geht. Wir liegen ganz gut in der Zeit. Elias futtert und ich sitze einfach nur so rum und schaue in die Landschaft. Ich möchte einfach nur hier sitzen …

Schmiedeberg erreichen wir noch vor der Mittagspause und weil das Örtchen grad seinen Geburtstag gefeiert hat, sitzen auffällig viele Strohpuppen vor zahlreichen Häusern. 700 Jahre ist das Dorf nun alt und beeindruckt von derart viel Geschichte laufen wir einmal um die Feldsteinkirche, bestaunen die Postmeilensäule, dieverse alte Bauernhäuser, von denen das Giebellaubenganghaus besonders zu erwähnen ist.

Elias darf sich die Strohpuppen aus der Nähe angucken und von mir aus hätte er sich auch was abbeißen dürfen. Aber wie mir scheint will das Eselchen weiter. Mein Narcisse wäre nicht gegangen, ohne die verschiedensten Körperteile verspeist zu haben. Er hätte ein Strohpuppenmassaker veranstaltet.

Komm mal her mein Kleiner, ich muß Dir einen Kuß zwischen die Ohren drücken. Du bist wirklich ein sehr gut erzogener Esel. Heute Abend mach ich Dir die Ohren und danach kratz ich Dir den Arsch. Versprochen. Möhre? Seit der letzten Freßpause kommt er mir ungemein motiviert vor. Na dann mal hurtig weiter. Einmal über die 198 und hinein in einen wunderschönen Feldweg. Im nächsten Örtchen – Biesenbrow – sind wir am Ziel und ich hätte nichts dagegen die Beine hochzulegen. Irgendwie bin ich faul.

Der Wanderweg nach Biesenbrow, wo wir in der Kleinen Schäferei übernachten werden ist sehr, sehr hübsch, läßt sich leicht wandern und bietet rechts und links hübsche Ausblicke weit in die Uckermark hinein.

Über uns sammeln sich Schwärme von Zugvögeln, ein Fuchs keuzt den Weg und zwei Stunden später laufen wir am Geburtshaus von Ehm Welk vorbei. „Die Heiden von Kumerow“ steht bis heute im Bücherregal und ich überlege, ob mir ein weiterer Titel einfällt. Gab es nicht eine Fortsetzung zu den Heiden? Ehm Welk, der Name ist ein Pseudonym, welches sich aus dem Spitznahmen Ehm und dem Familiennamen zusammensetzt. Richtig hieß er Gustav Emil Welk und hier in Biesenbrow wurde er 1884 geboren. Ich mache ein paar Fotos von dem Haus und lese mir die kleinen Gedenktafeln durch. Da macht es plötzlich klick und mir fällt die andere Geschichte aus längst vergangenen Schulzeiten wieder ein: „Die Gerechten von Kumerow“ und die Figur des Müllers, der sein krankes Pferd erschlägt und am Ende wegen Tierquälerei verurteilt wird. Krischan, der Junge der sich schützend vor das Pferd stellte, verläßt aus Furcht das Dorf und seitdem bewerfen einige Jungs Nacht für Nacht Dükers Haus mit Kartoffeln. Sie werden wenig später als die Gerechten bezeichnet, auch wenn die Geschichte für sie alle kein wirklich gutes Ende nimmt. Ich glaube, wir mußten damals das Buch lesen und sogar den DEFA-Film anschauen. Gestorben ist Ehm Welk übrigens 1966 in Bad Doberan.

Elias und ich laufen durch den Ort hindurch, biegen vor der Kirche rechts ab, dann einmal links und schon sind wir da. Hallo und schön, ein Bauernhof mit richtigen Hühnern, einem Traktor, einem Zimmer mit Küche und Bad für mich und einem Stall für Elias. Ich packe meinen Schlafsack aus – Bettwäsche soll aus ökologischen Gründen auf dieser Wanderung, wo man an jedem Ort nur einmal übernachtet, möglichst eingespart werden – gehe raus zu Elias, mache ihm wie versprochen die Ohren und kratze ihn mindestens eine Viertelstunde am Hintern.

Dann folgt ein kleines Nickerchen, ein fantastisches Abendbrot und … gute Nacht. Tag 1 hätten wir geschafft.