Eselwanderung – auf dem Stevensonweg von La Bastide-Puylaurent nach Chasseradès

27.5.16 – Der fünfte Wandertag auf dem GR 70

 

Wandertip: Bevor sie heute auf eine recht kurze Etappe starten, sollten sie den Morgen nutzen und sich das Trappistenkloster Notre Dame des Neiges anschauen, wo Robert Louis Stevenson seinerzeit übernachtete; was ich nur empfehlen kann. Der Ort ist wunderbar ruhig gelegen und man kann dort sehr gut übernachten. Lassen sie ihre Sachen im Hotel, den Esel auf der Koppel, und gehen sie einfach so die 5,5 km zum Kloster. Wenn sie nach dem Frühstück ohne Esel stramm loslaufen, sind sie gegen 11 Uhr zurück und dann haben sie immer noch genügend Zeit für die Tour nach Chasseradès.

Der Tag beginnt wie immer mit der Pflege des Esel, ich gönne mir zur Abwechslung mal ein Frühstück und habe es auch sonst überhaupt nicht eilig. Es ist eine kurze Etappe und schließlich soll es ja Urlaub mit Erholungseffekt sein. Wir verlassen das Hotel, laufen eine weite Rechtskurve schwenken nach links über die Gleise und dann beginnt ein Aufstieg der es in sich hat. Die Kletterei geht nicht nur mir auf die Knochen und Nassis testet mal wieder aus, was geht und was nicht. Ich fürchte mit der Zeit nicht hinzukommen und bereue die morgentliche Trödelei. Wir sind 9 Uhr los und es will und will einfach nicht vorwärts gehen. Ständig bleibt er stehen und schaut sich den Löwenzahn an. Mir platzt der Kragen und mein Stöckchen kommt wieder zum Einsatz. Ständig kratzt es hinter ihm auf der Straße oder wedelt ihm rechts oder links vor der Schnauze herum, wenn er nach Freßbarem giert. Ich fluche, bleibe hartnäckig, lasse nicht locker und dann gibt er auf, tut, was ihm aufgetragen und läuft und klettert und läuft. Nach zwei Stunden haben wir den Anstiegt von fast 5 km Länge absolviert und gönnen uns eine schöne Pause auf dem Berggipfel. Der Süße darf sich austoben, wälzen und fressen, andere Wanderer anbetteln und sich fotografieren lassen. Ich mache mir einen RedBull Heidelbeere auf, entdecke lauter schöne Fotomotive und weil das Teewasser noch nicht kocht, gehe ich mit der Kamera umher und fotografiere Blümchen, bis ich plötzlich in meinem Rücken ein Geräusch höre, welches mir einen unglaublichen Schreck einjagt und mir doch sehr vertraut vorkommt. So klingt es, wenn man eine Getränkedose zerquetscht und im Herumdrehen sehe ich wie in Zeitlupe meinen Esel, der mit hocherhobenem Kopf dasteht und sich meinen RedBull in den Hals laufen läßt. Also er muß grad damit fertig gewesen sein und vor meinen Augen senkt er den Kopf, die Dose fällt ins Gras und Nassis dreht ab. Der Lumpenhund hat meinen RedBull ausgesoffen, das darf doch nicht wahr sein. Na warte Freundchen, wer RedBull säuft muß Leistung zeigen. Aus dem geplanten Tee wird ein Espresso, dann wird der Räuber beladen und weiter geht es durch den Hochwald. Der Weg verläuft jetzt flach ohne weitere Steigungen über das Plateau de la Mourade, auf der linken Seite steht ein großer Sendemast und wir laufen hinein in den Forêt Dominiale de la Gardille, werden von den netten Französinnen eingeholt und gehen dann gemeinsam weiter.

Esel im Wald

Mal sind sie vorne und dann wieder wir, die vier singen Chansons und ich erinnere mich an eine der ersten Schallplatten, die meine Mutter sich nach der Scheidung kaufte: Juliette Gréco und bis heute gehört ihre Interpretation von Parlez-moi d’amour zu meiner Lieblingsmusik und die Melodie pfeifend ziehen mein Esel und ich auf der D 6 weiter, halten uns auf der Straße, werfen einen Blick auf den langen Schneeverwehungstunnel der Eisenbahn und erreichen das Hotel „Les Sources“ von Éric Chaptal kurz vor 15 Uhr. Ein herrlicher Ort und ich werde erstmal auf einen Espresso eingeladen und während meine Wanderfreundinnen bis nach Chasseradès weiterlaufen, machen wir es uns gemütlich. Ich schreibe Tagebuch und faulenze während sich das Eselchen wälzt und Salz leckt.

Pause im Les Sources

Zwischendurch wird Wäsche gewaschen, Mittagsschlaf gemacht und ich schreibe Postkarten, viele Postkarten, bevor es zum Abendbrot geht, was wieder der krönende Abschluß des Tages ist. Es besteht wie immer aus mehrere Gängen und ist umwerfend lecker. Noch nie hatte ich Wachtel, die Gemüsesuppe ist sehr fantastisch und zum Nachtisch gibt es Eis.

Eselwanderung – auf dem Stevensonweg von Cheylard-l’Évêque nach La Bastide-Puylaurent

26.5.2016 – Der vierte Wandertag auf dem GR 70

Der Esel ist weg. Da steh ich nun mit meinem Lunchpaket und allen Taschen vor dem Hotel und wo ist Houdini jetzt schon wieder hin? Ich gehe einmal um’s Haus, dann nehme ich die Tüte mit dem Wiesenbussis, raschle laut, rufe mit zuckersüßer Stimme den Namen meines Esels und sofort ertönt ein IAhhh, sein Kopf schaut hinter einer Hausecke hervor und freudig kommt Nassis auf mich zugelaufen. Sage mal Langohr, freust du dich mich zu sehen, oder ist es die Leckerlitüte in meiner Hand? Ich gehe ihm einige Schritte entgegen und jetzt sehe ich, aus welcher Richtung er kam. Um Gottes Willen, schlagartig wird mir klar, was er über Nacht getan haben muß. Mir reicht ein einziger Blick auf den Vorgarten des Cafes, wo wir gestern eine kleine Pause machten, und ich beschließe, Cheylard besser gleich zu verlassen. Er hat die Zeit genutzt und alle jungen Triebe der angepflanzten Sträucher verbissen. Himbeeren, Johannisbeeren, nichts hat er verschont. Schnell packe ich ihm die Sachen auf den Rücken und dann machen wir uns eilig aus dem Staub. Rechts und links vor den Häusern fallen mir diverse Blumenkästen auf, die so merkwürdig leer und unmotiviert an den Zäunen hängen. Wer weiß, was er noch alles abgefressen hat? Aber ich will ihn nicht zu Unrecht beschuldigen. Das tut man auch mit einem Esel nicht. Mein Süßer läuft neben mir und selbst den Führstrick brauche ich nicht. Manchmal streichle ich ihn, wenn sein ständig pendelnder Kopf in meine Richtung schwingt und obwohl wir eine lange Etappe vor uns haben, bin ich frohen Mutes und atme tief, tief durch. Nach einer weiten Linkskurve überqueren wir zwei kleine Brücken, lassen das Forsthaus Maison forestière auf der linken Seite und nehmen den Steinweg, halten uns links und folgen den Markierungen auf dem Hauptweg. Der Weg ist leicht zu finden und inzwischen weiß ich, daß ein flacher Start in den Tag meinem Eselchen lieber ist als ein Weg, der sofort bergauf führt. Wir können also etwas Schwung holen, bevor wir auf den langen Anstieg treffen, der uns heute droht. Nach einem traumhaften Laubwald geht es hoch und gut kommen wir voran. Es ist ein kühler Morgen, Nassis scheint über Nacht so viel gefressen zu haben, daß es jetzt ganz ohne die andauernde Nascherei am Wegrand geht. Hin und wieder kommt ein Auto an uns vorbei, die Insassen winken und sehen dabei sehr fröhlich aus. Nach der dritten Fuhre begreife ich, was hier vor sich geht. Manche Wanderer lassen sich nach oben fahren und sparen sich auf diese Weise den langen Anstieg. Das Motto lautet: Zurück zur Natur, nur nicht zu Fuß. Ich überlege, ob ich das auch so machen würde, wenn ich ohne Esel wär. Dann beuge ich mich herunter und drücke meinem Esel einen Kuß zwischen seine flauschigen Ohren – kannst ruhig kurz anhalten und fressen. Wir machen einen kleinen Umweg, weil ich mir den Weiler Pradels anschauen möchte, gehen den Weg zurück und legen eine kleine Pause am wunderschön gelegenen See Lac de Louradou ein. Ein romantischer Picknickplatz mit einigen Tischen und Bänken und wenn es etwas wärmer gewesen wär, hätte ich auch schwimmen gehen können. Zügig erreichen wir zur Mittagszeit die alte Burgruine von LUC, wo wir wieder auf unsere vier lieben Damen treffen.

Luc 1

Nassis wird entladen und darf sich frei bewegen, ich koche mir einen Kaffee und spaziere durch die Überreste des Châteaus de Luc, welches seinen Namen dem lat. „Lucus“, einem heiligen Hain, verdankt und in der Region Gévaudan zu den am frühesten besiedelten Gegenden gehört. Im Forêt du Mercoire, einem Waldgebiet zu Ehren des Gottes Merkur, lebten keltische Stämme und ab dem 12 Jahrhundert fing man an, eine wehrhafte Burganlage an dieser Stelle zu errichten. Und kein Geringerer als Kardinal Richelieu, der Intrigant aus „Die drei Musketiere“ – es war die Zeit des 30-jährigen Krieges -, plünderte mit seinen Truppen die Burg und leitete damit den steten Verfall der Wehranlage ein. Aus dem großen Hauptturm, der wunderbare Ausblicke in die Landschaft bietet, wurde so um 1880 herum eine Kapelle, die von einer weithin sichtbaren Marienstatue geziert wird.

Luc 2

Mit Freude entdecke ich einige Mauerreste, die im Fischgrätenmuster-Stil verziert wurden, Simone, Annie, Lucette und Christine, die vier Wanderrinnen vom Abendbrot, bekommen ein Eselfoto und wir tauschen unsere eMail-Adressen,

Gruppenfoto mit Esel

Ich in Luc

Nassis wird wieder beladen und schon geht es weiter, rechts an der Burg vorbei ins Städtchen Luc. An einem Bistro mit Möhre (siehe Foto), wo die Besitzer grad selber Mittag essen und der ganze Raum entsetzlich nach Nierchen müffelt, gönne ich mir fix eine Erfrischung.

Möhre

Und was soll die Möhre bedeuten? Tankstelle für Esel? Nein, auch hier in Frankreich gab es mal eine Zeit, in der Zigarrenraucher ihrer Leidenschaft ohne großes Brimborium und ohne Humidore nachgingen. Da kamen die gekauften Zigarren in eine kleine Holzkiste und damit das Klima in der Kiste stimmt, legte man einfach eine Möhre mit zu den Zigarren hinein. Ein einfacher Trick, der bestimmt funktionierte und an den die stilisierten Möhren über wohl fast jedem Tabak- & Lottogeschäft noch heute erinnern. Leider nichts für dich mein Süßer. Wir laufen an Maries Haus vorbei und weil Stevenson den Weg so vorgab, folge ich den rot-weißen Markierungen über die Brücke und mache den ersten, richtig blöden Fehler. Was für ein bescheuerter Umweg. Ein Umweg, der nur Zeit kostet, der nichts bietet außer einem Aufstieg, der Möglichkeit die richtige Abzweigung in den Wald zu verpassen, vier völlig durchgeknallten Schäferhunden, einen in Panik flüchtenden Esel und einer langen Suche. Ich finde Nassis nach fast einer Stunde verängstigt im Wald, bin nun selber unkonzentriert und übersehe die schlechten, mißverständlichen Wegmarken, nehme den falschen Weg und führe uns auf der Straße zurück nach Luc. Der Zeitverlust beläuft sich auf gute drei Stunden und La Bastide ist noch ein ordentliches Stück entfernt. Glauben sie mir, vergessen sie in Luc mal kurz den Stevenson und biegen sie hinter der Brücke rechts ab.

WANDERTIP: Wenn sie das Städtchen Luc über den Wanderweg erreichen, werden sie das Haus/ Bistro mit der Möhre sehen, wo ich kurz Rast machte. Es liegt an der D 906, einige Meter hinter der Kreuzung an der sie nach rechts auf die D19 abbiegen. Unterhalb verläuft die D 19 und darunter eine Bahnlinie. Der Stevensonweg verläuft von dort aus weiter über die D 19 entlang der Bahnlinie und einigen Häusern. Sie unterqueren die Bahnlinie und stoßen nach einer Brücke über die Allier auf die Kreuzung D 192 nach links und D 19 nach rechts. Der Stevensonweg führt sie nach links und davon rate ich dringend ab. Folgen sie der D 19 auf der Straße gegen die Fließrichtung der Allier. Nach gut drei Kilometern kommen sie dort an, wo die anderen Wanderer (die den Stevensonweg nahmen) eine Stunde später aus dem Wald kommen werden. Biegen sie rechts über die kleine Brücke nach Labrot von der D 19 ab und schon sind sie wieder auf dem Stevensonweg. Aber Vorsicht! Die Wegmarkierungen auf diesem Streckenabschnitt sind nicht perfekt.

Sie wandern in Richtung Pranlac, kommen auf die D 76, überqueren die Gleise und eine Brücke, gelangen in das Dorf Laveyrune und folgen der D 154 in Richtung des Weilers Rogleton (HIER UNBEDINGT AUFPASSEN!) wo die nächste Hürde in Form eines kleinen Pfades wartet, der im Frühjahr und bei Regen für Esel nicht passierbar ist. Probieren sie es gar nicht erst aus! Bleiben sie auf der kleinen Asphaltstraße rechts und gehen sie an der nächsten Möglichkeit wieder links. Der kleine Umweg durch das Dorf wird ihnen viel Kummer ersparen und dem Esel im Ernstfalle die Knochen retten.

Was jetzt kommt ist nicht weiter der Rede wert. Die Straße zieht sich und es folgt ein schwacher, dafür langer Anstieg. Die Wegmarken des GR 70 sind schlecht zu sehen und man muß etwas aufpassen. Aber La Bastide-Puylaurent und die Herberge Grand Halte sind in greifbarer Nähe.

Wir schleppen uns die letzten Kilometer und Nassis braucht immer häufiger kleine Pausen. Doch pünktlich 19 Uhr erreichen wir nach zwölf Stunden unser Ziel.

La Grande Halte

Das Hotel hat auch schon mal bessere Zeiten erlebt, mein Zimmer riecht etwas feucht und so einiges scheint renovierungsbedürftig. Doch diese Dinge sind nicht wichtig, weil alles da ist, was wirklich benötigt wird. Der Esel ist gut hinterm Haus untergebracht und man hat sogar etwas Eselfutter da, das Abendbrot ist einfach und dennoch unglaublich lecker und anschließend schlafe ich wie ein Stein. Was will man denn mehr?

Wandertip: Wenn sie das Trappistenkloster NOTRE DAME DES NEIGES besichtigen wollen – ein Tourpunkt, der häufig für diese Etappe empfohlen wird – dann sollten sie diesen Umweg auf den nächsten Tag verschieben. Leicht können sie von La Bastide-Puylaurent aus dorthin gelangen. Lassen sie ihre Sachen und vielleicht auch den Esel im Hotel und nehmen sie den Besuch des Klosters als kleinen Morgenspaziergang, bevor sie sich auf den kürzeren Weg nach Chasseradès machen. Sie können aber auch die Übernachtung in La Bastide auslassen und stattdessen, so wie auch Stevenson, gleich im Kloster übernachten. Das wäre sogar noch schöner und das Hotel La Grand’Halte muß man nicht unbedingt besucht haben.