Eselwanderung – Willkommen in Le Plagnal

21.5.16

Ankunft in Le Plagnal/ Mas Lasseze 07590 auf dem Hof Les Mas Des Ânes von Marie-Ange Benoit um 20:30. Ein kalter Wind pfeift durch meine Sachen, weit und breit kein Mensch zu sehen und ich beschließe im Auto zu schlafen, zumal der Hofhund, ein riesiger Owtscharka, mich nicht so anguckt, als würde er mich freiwillig an sich vorbei in Richtung Haus lassen wollen. Er hat drei- viermal gebellt und wartet seitdem ruhig ab, ob ich mich für Distanz oder Kampf entscheide. Recht scheint ihm beides zu sein und ich muß dabei unweigerlich daran denken, daß man hierzulande meist zwei Hunde hält: einen der bellt und einen der beißt. Der Riese dort vor dem Haus tut bei Bedarf wohl beides. Aber wenn jemand da wär, hätte sein Gebell längst auf einen Ankömmling aufmerksam gemacht. Ich suche mir einen Stellplatz für das Auto, lehne den Sitz zurück und mache es mir gemütlich. Der Hund nimmt zum Glück keine weitere Notiz von mir und ich krieche in meinen Schlafsack. Ein erstes Urlaubsgefühl macht sich breit und ich überlege, welches der zahlreichen Grautiere, die ich von meinem Platz aus beobachten kann, mich wohl begleiten wird. In kleinen Gruppen stehen sie beisammen und fressen Stroh. Das Wetter macht ihnen offensichtlich nichts aus und während der Wind das Auto schaukelt werde ich müde und nicke ein, bis ein Geräusch mich aus meinen Träumen reißt. Irgendwas schleicht ums Auto und ich schrecke hoch, links nichts, rechts nichts und dann im Rückspiegel zwei Augen, die neugierig gucken. Gott sei Dank, nur ein freilaufender Esel. Müde drehe ich mich zur Seite und im nächsten Moment steht er auf der Fahrerseite und popelt am Außenspiegel. Ich schalte die Zündung ein, lasse die Scheibe herunter und habe sofort die samtweiche Eselnase in der Hand.

Erster Kontakt

Na mein Freund, du bist ja gar nicht neugierig. Er riecht gut, nach Wind und Heu, frischem Gras und einer herrlichen Musknote. Ein dicker Brotkanten wechselt den Besitzer und ich bewundere die unglaublich flauschigen Ohren. Was für ein schönes Tier. Warum mein Freund läufst du draußen rum, während alle anderen in Koppeln stehen? Mit gespitzten Lippen sucht er, ob die Tüte, aus der das Brot kam, noch etwas mehr hergibt, was ihm vielleicht schmeckt. Vorsichtig streichle ihn unterm Kinn und mache einige Fotos. Nichts, was ihn abhält sich neugierig umzuschauen. Scheint ein echter Gemütsesel zu sein und während er seine neugierige Nase in meinen Schlafsack schiebt, schlafe ich wohlig eingehüllt ein. Sorgen habe ich nicht. Was stört mich der Wind. Mitten in der Nacht weckt mich dann eine Windböe plötzlich auf und ich bemerke das noch offene Seitenfenster. Fröstelnd mache ich für einen Moment die Heizung an und schließe das Fenster, bemerke, daß ich wieder beobachtet werde, schaue, ob ich in der Finsternis etwas erkennen kann. Dieses Gefühl, nicht alleine zu sein, hat keine bestimmt Richtung und ich vergewissere mich der verriegelten Türen, blicke mich ängstlich um und dann endlich entdecke ich in der Dunkelheit den auf der Beifahrerseite stehenden Esel, welcher mich unentwegt anschaut. Mußt du mir so einen Schreck einjagen? Die Umgebung hat etwas Unheimliches und ich schalte kurz das Fernlicht an, sehe den riesigen, friedlich schlafenden Hund und bin sofort wieder beruhigt. Solange der sich nicht rührt, droht garantiert keinerlei Gefahr. In Kürze sollte ich seinen Namen erfahren.

Kurze Statusmeldung – Tag 1&2 – Nassis und Erik auf Tour

Le Monastier sur Gazeille, Goudet, Bouchet St. Nicolas

Wir haben uns zusammengerauft und er war ein dickköpfiger Gegner. Doch nun steht fest, wer Esel und wer Boss ist. Wir hatten stehenbleiben, flüchten, alle 20 Meter anhalten, rückwärtslaufen, trödeln, schleichen, schnaufen, das volle Programm und ich habe zu keiner Minute mein Ziel aus den Augen verloren. Ich habe ihn durch steile Abhänge und schwierige Aufstiege geleitet, manchmal auch getrietzt, ich habe ihn vor Hunden beschützt und ihn sicher im Straßenverkehr geleitet. Jetzt verläßt er sich auf mich und heute haben wir 30km geschafft.

Startbild in Monastir

Das erste Bild. Fünf Minuten später waren wir auf uns allein gestellt.

Bouchet St. Nicolas – Langogne

Inzwischen sind wir ein Team. Nassis hat akzeptiert, dass er mir folgen muß und er vertrat mir. Ich habe ihn auch nicht mehr kurz am Führstrick sondern laufe mit einem langen Zweig wedelnd hinter ihm her (wenn er trödelt) oder bin neben ihm und er folgt mir wie ein Hündchen. Dafür lasse ich ihn fressen was er will und er frißt permanent. Er beherrscht die Kunst des fressenden Laufens oder wohl eher umgekehrt und hinterläßt dabei eine Spur der botanischen Verwürstung. Ihn im Cafe am Zaun anzubinden war ein Fehler, weil die Blumenkästen jetzt wieder kahl sind und die beiden Rosenstöcke rechts und links der Tür vor dem nahegelegenen Touristenbüro werden dieses Jahr wohl keine Blüten tragen – alle Knospen und die jungen Triebe, alles abgefressen. Wie, sie hatten da auch einen Kübel mit Ziergras? Können sie das beweisen? Ich seh da nichts mehr. Na bei Gras macht mein Esel keine Unterschiede … aber das da, das können sie gut als Dünger für den zweiten Ziergrasversuch benutzen. Nichts für ungut, aber wir müssen jetzt weiter. Eilig verlassen wir Pradelles, ein Ort, der unglaublich schön gepriesen wird. Mein Esel hat alles ruiniert.

Im Cafe

Mehr gibt es erstmal nicht zu berichten. Ich bin in wunderbaren Hotels untergebracht, werde mit mehrgängigen Menüs verwöhnt und wenn ich heute aus dem Fenster schaue, sehe ich meinen Grauen auf der Weide. Was könnte es schöneres geben und morgen ist es nur eine kurze Etappe von 15 km. Da sind wir zum Mittagessen mit durch.