Eselwanderung – eine Variation des Stevensonwanderweges von Chasseradès nach Le Bonnetès

28.5.16 – Der sechste Wandertag auf dem GR 70 

Nassis hat einen schlechten Tag und trödelt unglaublich rum. Ich habe etwas Angst vor der Strecke, weil wir den Stevenson-Weg verlassen werden und dann wirklich auf uns alleine gestellt sind. Keine anderen Wanderer, an denen wir uns orientieren könnten und das heutige Ziel liegt deutlich abseits der markierten Strecke. Zudem soll das Wetter schlechter werden und all zu oft schon habe ich erlebt, wie verheerend sich Starkregenfälle und Gewitter im französischen Zentralmassiv auswirken. Innerhalb von dreißig Minuten wird aus einem blauen Himmel ein graues, stürmisches Regenungetüm, was kleinste Bäche in kürzester Zeit in tosende Flüsse verwandelt und weil der Boden diese Wassermassen nicht so schnell aufnehmen kann, wälzen sich Sturzbäche über Wiesen und Felder abwärts ins Tal. Um ehrlich zu sein, beunruhigen mich die Vorhersagen und ich fürchte, daß es mit den schönen Tagen vorbei sein wird. Aber erstmal scheint noch die Sonne und weit haben wir es heute wirklich nicht. Vom Hotel „Les Sources“ bis in den Ort Chasseradès laufen wir gemütlich am Straßenrand und ich betrachte mit einiger Neugier den Schneeverwehungstunnel der Bahnstrecke. Diese Tunnel werden immer dort angelegt, wo die Gleise durch eine Senke oder Mulde führen und damit sich im Winter nicht der Schnee im tiefliegenden Gleisbett ansammelt, werden die Gleise besonders ungünstig gelegener Streckenabschnitte mit einem Tunnel überbaut. Das Örtchen Chasseradès ist hübsch und bietet einige Möglichkeiten für ein gemütliches Frühstück und ich überlege, ob wir zeitlich hinkommen würden. Nassis hat sich direkt vor den Bäcker gestellt und scheint nur darauf zu warten, daß ich ein Stückchen Croissant ausgebe. Na gut du oller Freßsack, aber nur ein kleines Stückchen. Ich sollte dir lieber einen Espresso spendieren. Die ersten Wanderer brechen zu ihren Touren auf, die Taxifahrer laden das Gepäck in ihre Autos und Nassis hat mehrere Fototermine mit fremden Leuten. Hier anzuhalten war ein Fehler, weil der Esel abwarten will, ob wir nicht doch lieber zusammen mit einer Gruppe weiterlaufen könnten. Er steht und träumt und bewegt sich nicht. Die kleine Steigung durch den Ort erscheint als unüberwindbares Hindernis. Wenn der Kerl doch nur laufen würde. Eine Eselwanderung ist bisweilen etwas anderes als eine Wanderung ohne Esel. Streckenweise gleicht sie mehr einem Spaziergang und dann wieder ist sie unfreiwillige Pause oder Panne, so genau weiß man das oft nicht – mit dem Unterschied, daß man keinen Abschleppservice anrufen kann -, und ich frage mich, ob ich mehr Wanderer oder Antreiber bin. Heute auf jeden Fall bin ich am drängeln und will mich nicht entschleunigen lassen. Nicht von dem Esel, heute nicht. Soll ich dir noch einen RedBull kaufen? Nassis läuft, als hätte er Schlaftabletten genommen und obwohl er gut gefressen hat und sich lange ausruhen konnte, tut er so, als hätte er seit Tagen nichts mehr bekommen. Oder liegt es an meiner franz. Aussprache? Kommen die Kommandos und Aufforderungen sich bitteschön etwas zu sputen nicht richtig bei ihm an? Ich weiß, daß er viel schneller könnte, er selbst macht es mir immer wieder vor, genau dann, wenn er urplötzlich eine Wiese voller Butterblümchen entdeckt und losrennt, als gelte es das Leben. Nein, das ist alles nur Theater und deshalb schwinge ich mein Stöckchen und bringe ihn langsam auf Trab. Doch schnell sind wir heute nicht und weil ich so mit dem Antrieb des Esels beschäftigt bin, laufen wir oft für einige Meter in die falsche Richtung, übersehen Wegmarkierungen und verpassen mehrfach den richtigen Weg. Leider bleibt in diesem Bereich des Wanderweges mancher Abzweig etwas unklar und ängstlich setze ich den Weg fort. Im Schlepptau einen schleichenden Esel, der mehr mit fressen als laufen beschäftigt scheint. Wir kommen nach Mirandol, wo man auch gut übernachten könnte und erreichen den Weiler L’Estampe. Danach verlasse ich mich nicht mehr auf die Wegmarkierungen, die uns jetzt sowieso nicht weiterhelfen würden. Unser Weg führt nicht über Les Alpiers und weiter nach Le Bleymard, sondern zweigt wenige Kilometer nach L’Estampe von der Asphaltstraße D 120 in einer engen Rechtskurve ab und führt geradeaus direkt in den Wald hinein.

Karte.

Fragen sie nicht, woran ich die Stelle erkannt habe. Um ehrlich zu sein, habe ich mich nur auf mein Gespür und recht ordentliche Karten verlassen. Die ersten hundert Meter des Weges sind noch befestigt und es sieht aus, als würden hier Forstarbeiten durchgeführt werden. Große Holzstapel liegen herum und es ist genügend Platz, damit LKWs wenden können. Fünfzig Meter weiter steht man vor einer V-förmigen Weggabelung und hier muß man unbedingt den rechten Weg nehmen, hinein in den dunkleren, älteren Teil des Waldes. Nach dreihundert Metern kommt ein einfaches Schild GITE und ich muß unweigerlich laut lachen. Ich hätte es ja weiter vorne angebracht. Na egal. Plötzlich schnurrt Nassis wie aufgezogen, läuft dicht neben mir und ohne zerren und fluchen kommen wir 16 Uhr im Gite von Nathalie an … im Paradis, wo leider nur ein kühler Wind weht. Für den Süßen gibt es eine wunderbare Koppel, Nathalie holt ihren alten Esel dazu und so haben die beiden etwas Gesellschaft. Für mich gibt es Limonade, einen Platz an der Sonne, zwei Katzen und einen Hund, der sich auf meine Füße lägt und diese ganz prima wärmt. Später dann …

Katzentisch

ein wunderbares Abendbrot am Kamin und zum Einschlafen ein herrliches Gewitter. Ich weiß, die schönen Tage sind vorbei.

Eselwanderung – auf dem Stevensonweg von La Bastide-Puylaurent nach Chasseradès

27.5.16 – Der fünfte Wandertag auf dem GR 70

 

Wandertip: Bevor sie heute auf eine recht kurze Etappe starten, sollten sie den Morgen nutzen und sich das Trappistenkloster Notre Dame des Neiges anschauen, wo Robert Louis Stevenson seinerzeit übernachtete; was ich nur empfehlen kann. Der Ort ist wunderbar ruhig gelegen und man kann dort sehr gut übernachten. Lassen sie ihre Sachen im Hotel, den Esel auf der Koppel, und gehen sie einfach so die 5,5 km zum Kloster. Wenn sie nach dem Frühstück ohne Esel stramm loslaufen, sind sie gegen 11 Uhr zurück und dann haben sie immer noch genügend Zeit für die Tour nach Chasseradès.

Der Tag beginnt wie immer mit der Pflege des Esel, ich gönne mir zur Abwechslung mal ein Frühstück und habe es auch sonst überhaupt nicht eilig. Es ist eine kurze Etappe und schließlich soll es ja Urlaub mit Erholungseffekt sein. Wir verlassen das Hotel, laufen eine weite Rechtskurve schwenken nach links über die Gleise und dann beginnt ein Aufstieg der es in sich hat. Die Kletterei geht nicht nur mir auf die Knochen und Nassis testet mal wieder aus, was geht und was nicht. Ich fürchte mit der Zeit nicht hinzukommen und bereue die morgentliche Trödelei. Wir sind 9 Uhr los und es will und will einfach nicht vorwärts gehen. Ständig bleibt er stehen und schaut sich den Löwenzahn an. Mir platzt der Kragen und mein Stöckchen kommt wieder zum Einsatz. Ständig kratzt es hinter ihm auf der Straße oder wedelt ihm rechts oder links vor der Schnauze herum, wenn er nach Freßbarem giert. Ich fluche, bleibe hartnäckig, lasse nicht locker und dann gibt er auf, tut, was ihm aufgetragen und läuft und klettert und läuft. Nach zwei Stunden haben wir den Anstiegt von fast 5 km Länge absolviert und gönnen uns eine schöne Pause auf dem Berggipfel. Der Süße darf sich austoben, wälzen und fressen, andere Wanderer anbetteln und sich fotografieren lassen. Ich mache mir einen RedBull Heidelbeere auf, entdecke lauter schöne Fotomotive und weil das Teewasser noch nicht kocht, gehe ich mit der Kamera umher und fotografiere Blümchen, bis ich plötzlich in meinem Rücken ein Geräusch höre, welches mir einen unglaublichen Schreck einjagt und mir doch sehr vertraut vorkommt. So klingt es, wenn man eine Getränkedose zerquetscht und im Herumdrehen sehe ich wie in Zeitlupe meinen Esel, der mit hocherhobenem Kopf dasteht und sich meinen RedBull in den Hals laufen läßt. Also er muß grad damit fertig gewesen sein und vor meinen Augen senkt er den Kopf, die Dose fällt ins Gras und Nassis dreht ab. Der Lumpenhund hat meinen RedBull ausgesoffen, das darf doch nicht wahr sein. Na warte Freundchen, wer RedBull säuft muß Leistung zeigen. Aus dem geplanten Tee wird ein Espresso, dann wird der Räuber beladen und weiter geht es durch den Hochwald. Der Weg verläuft jetzt flach ohne weitere Steigungen über das Plateau de la Mourade, auf der linken Seite steht ein großer Sendemast und wir laufen hinein in den Forêt Dominiale de la Gardille, werden von den netten Französinnen eingeholt und gehen dann gemeinsam weiter.

Esel im Wald

Mal sind sie vorne und dann wieder wir, die vier singen Chansons und ich erinnere mich an eine der ersten Schallplatten, die meine Mutter sich nach der Scheidung kaufte: Juliette Gréco und bis heute gehört ihre Interpretation von Parlez-moi d’amour zu meiner Lieblingsmusik und die Melodie pfeifend ziehen mein Esel und ich auf der D 6 weiter, halten uns auf der Straße, werfen einen Blick auf den langen Schneeverwehungstunnel der Eisenbahn und erreichen das Hotel „Les Sources“ von Éric Chaptal kurz vor 15 Uhr. Ein herrlicher Ort und ich werde erstmal auf einen Espresso eingeladen und während meine Wanderfreundinnen bis nach Chasseradès weiterlaufen, machen wir es uns gemütlich. Ich schreibe Tagebuch und faulenze während sich das Eselchen wälzt und Salz leckt.

Pause im Les Sources

Zwischendurch wird Wäsche gewaschen, Mittagsschlaf gemacht und ich schreibe Postkarten, viele Postkarten, bevor es zum Abendbrot geht, was wieder der krönende Abschluß des Tages ist. Es besteht wie immer aus mehrere Gängen und ist umwerfend lecker. Noch nie hatte ich Wachtel, die Gemüsesuppe ist sehr fantastisch und zum Nachtisch gibt es Eis.

Eselwanderung und Hufpflege beim Wanderesel

Hufpflege beim Wanderesel 

Schon während der ersten Meter auf dem Stevensonweg habe ich mir vorzustellen versucht, wie der Weg wohl vor 138 Jahren ausgesehen haben mag. Ist Modestine auch über so viele Steine gelaufen? Wurden die Feldwege damals auch schon mit Kies und Splitt aufgefüllt und gab es hunderte von Metern, die aus scharfkantigen, zerschlagenen Dachschindeln bestehen? Mit Blick auf diese heutigen Gegebenheiten sollte sie der Hufpflege besonders viel Aufmerksamkeit widmen.

Hufpflege 1

Stellen sie sich dazu dicht neben den Esel, ich würde immer mit den Vorderhufen anfangen, fahren sie mit einer Hand am Bein vom Knie an abwärts, stützen sie sich dabei leicht gegen das Tier (sie werden merken, daß der Esel sich seinerseits nun bei ihnen abstützt) und wenn sie kurz über dem Huf angekommen sind, greifen ihre Finger dicht um die Fesseln und dann ziehen sie den Huf etwas nach oben. Anschließend beginnen sie vorsichtig, zuerst alle Verschmutzungen aus der Sohle zu entfernen – nutzen sie dafür den Hufkratzer und natürlich auch die Bürste. Sind alle weichen Verschmutzungen entfernt, schauen sie sich die Strahlenfurchen rechts und links des dornförmigen Strahls genau an. Besonders in diese Rillen (die Strahlenfurchen) drücken sich oft kleine Steinchen tief hinein und die sollten sie unbedingt vorsichtig entfernen.

Hufpflege 2

Denken sie immer daran und es schadet wirklich nicht, dies auch tagsüber zu tun, wenn sie eine Pause machen. Der Untergrund auf dem Stevensonweg von heute ist streckenweise sehr schädlich für die Hufe und der Esel trägt zudem ein spürbares Gewicht auf seinem Rücken. Wenn sie lange Strecken laufen, achten sie darauf, daß ihr Wanderesel, wenn es geht, auf dem weichen Grasrand der Wege läuft und sollten sie eine lange Strecke laufen wollen, wäre es sicher gut, wenn der Esel beschlagen ist. Asphaltstraßen sind für unbeschlagene Hufe nie gut. Doch das eigentliche Übel ist nicht der harte Untergrund sondern der massenhafte Splitt am Straßenrand. Achten sie etwas darauf, wohin sie ihren Esel führen.

Eselwanderung – auf dem Stevensonweg von Cheylard-l’Évêque nach La Bastide-Puylaurent

26.5.2016 – Der vierte Wandertag auf dem GR 70

Der Esel ist weg. Da steh ich nun mit meinem Lunchpaket und allen Taschen vor dem Hotel und wo ist Houdini jetzt schon wieder hin? Ich gehe einmal um’s Haus, dann nehme ich die Tüte mit dem Wiesenbussis, raschle laut, rufe mit zuckersüßer Stimme den Namen meines Esels und sofort ertönt ein IAhhh, sein Kopf schaut hinter einer Hausecke hervor und freudig kommt Nassis auf mich zugelaufen. Sage mal Langohr, freust du dich mich zu sehen, oder ist es die Leckerlitüte in meiner Hand? Ich gehe ihm einige Schritte entgegen und jetzt sehe ich, aus welcher Richtung er kam. Um Gottes Willen, schlagartig wird mir klar, was er über Nacht getan haben muß. Mir reicht ein einziger Blick auf den Vorgarten des Cafes, wo wir gestern eine kleine Pause machten, und ich beschließe, Cheylard besser gleich zu verlassen. Er hat die Zeit genutzt und alle jungen Triebe der angepflanzten Sträucher verbissen. Himbeeren, Johannisbeeren, nichts hat er verschont. Schnell packe ich ihm die Sachen auf den Rücken und dann machen wir uns eilig aus dem Staub. Rechts und links vor den Häusern fallen mir diverse Blumenkästen auf, die so merkwürdig leer und unmotiviert an den Zäunen hängen. Wer weiß, was er noch alles abgefressen hat? Aber ich will ihn nicht zu Unrecht beschuldigen. Das tut man auch mit einem Esel nicht. Mein Süßer läuft neben mir und selbst den Führstrick brauche ich nicht. Manchmal streichle ich ihn, wenn sein ständig pendelnder Kopf in meine Richtung schwingt und obwohl wir eine lange Etappe vor uns haben, bin ich frohen Mutes und atme tief, tief durch. Nach einer weiten Linkskurve überqueren wir zwei kleine Brücken, lassen das Forsthaus Maison forestière auf der linken Seite und nehmen den Steinweg, halten uns links und folgen den Markierungen auf dem Hauptweg. Der Weg ist leicht zu finden und inzwischen weiß ich, daß ein flacher Start in den Tag meinem Eselchen lieber ist als ein Weg, der sofort bergauf führt. Wir können also etwas Schwung holen, bevor wir auf den langen Anstieg treffen, der uns heute droht. Nach einem traumhaften Laubwald geht es hoch und gut kommen wir voran. Es ist ein kühler Morgen, Nassis scheint über Nacht so viel gefressen zu haben, daß es jetzt ganz ohne die andauernde Nascherei am Wegrand geht. Hin und wieder kommt ein Auto an uns vorbei, die Insassen winken und sehen dabei sehr fröhlich aus. Nach der dritten Fuhre begreife ich, was hier vor sich geht. Manche Wanderer lassen sich nach oben fahren und sparen sich auf diese Weise den langen Anstieg. Das Motto lautet: Zurück zur Natur, nur nicht zu Fuß. Ich überlege, ob ich das auch so machen würde, wenn ich ohne Esel wär. Dann beuge ich mich herunter und drücke meinem Esel einen Kuß zwischen seine flauschigen Ohren – kannst ruhig kurz anhalten und fressen. Wir machen einen kleinen Umweg, weil ich mir den Weiler Pradels anschauen möchte, gehen den Weg zurück und legen eine kleine Pause am wunderschön gelegenen See Lac de Louradou ein. Ein romantischer Picknickplatz mit einigen Tischen und Bänken und wenn es etwas wärmer gewesen wär, hätte ich auch schwimmen gehen können. Zügig erreichen wir zur Mittagszeit die alte Burgruine von LUC, wo wir wieder auf unsere vier lieben Damen treffen.

Luc 1

Nassis wird entladen und darf sich frei bewegen, ich koche mir einen Kaffee und spaziere durch die Überreste des Châteaus de Luc, welches seinen Namen dem lat. „Lucus“, einem heiligen Hain, verdankt und in der Region Gévaudan zu den am frühesten besiedelten Gegenden gehört. Im Forêt du Mercoire, einem Waldgebiet zu Ehren des Gottes Merkur, lebten keltische Stämme und ab dem 12 Jahrhundert fing man an, eine wehrhafte Burganlage an dieser Stelle zu errichten. Und kein Geringerer als Kardinal Richelieu, der Intrigant aus „Die drei Musketiere“ – es war die Zeit des 30-jährigen Krieges -, plünderte mit seinen Truppen die Burg und leitete damit den steten Verfall der Wehranlage ein. Aus dem großen Hauptturm, der wunderbare Ausblicke in die Landschaft bietet, wurde so um 1880 herum eine Kapelle, die von einer weithin sichtbaren Marienstatue geziert wird.

Luc 2

Mit Freude entdecke ich einige Mauerreste, die im Fischgrätenmuster-Stil verziert wurden, Simone, Annie, Lucette und Christine, die vier Wanderrinnen vom Abendbrot, bekommen ein Eselfoto und wir tauschen unsere eMail-Adressen,

Gruppenfoto mit Esel

Ich in Luc

Nassis wird wieder beladen und schon geht es weiter, rechts an der Burg vorbei ins Städtchen Luc. An einem Bistro mit Möhre (siehe Foto), wo die Besitzer grad selber Mittag essen und der ganze Raum entsetzlich nach Nierchen müffelt, gönne ich mir fix eine Erfrischung.

Möhre

Und was soll die Möhre bedeuten? Tankstelle für Esel? Nein, auch hier in Frankreich gab es mal eine Zeit, in der Zigarrenraucher ihrer Leidenschaft ohne großes Brimborium und ohne Humidore nachgingen. Da kamen die gekauften Zigarren in eine kleine Holzkiste und damit das Klima in der Kiste stimmt, legte man einfach eine Möhre mit zu den Zigarren hinein. Ein einfacher Trick, der bestimmt funktionierte und an den die stilisierten Möhren über wohl fast jedem Tabak- & Lottogeschäft noch heute erinnern. Leider nichts für dich mein Süßer. Wir laufen an Maries Haus vorbei und weil Stevenson den Weg so vorgab, folge ich den rot-weißen Markierungen über die Brücke und mache den ersten, richtig blöden Fehler. Was für ein bescheuerter Umweg. Ein Umweg, der nur Zeit kostet, der nichts bietet außer einem Aufstieg, der Möglichkeit die richtige Abzweigung in den Wald zu verpassen, vier völlig durchgeknallten Schäferhunden, einen in Panik flüchtenden Esel und einer langen Suche. Ich finde Nassis nach fast einer Stunde verängstigt im Wald, bin nun selber unkonzentriert und übersehe die schlechten, mißverständlichen Wegmarken, nehme den falschen Weg und führe uns auf der Straße zurück nach Luc. Der Zeitverlust beläuft sich auf gute drei Stunden und La Bastide ist noch ein ordentliches Stück entfernt. Glauben sie mir, vergessen sie in Luc mal kurz den Stevenson und biegen sie hinter der Brücke rechts ab.

WANDERTIP: Wenn sie das Städtchen Luc über den Wanderweg erreichen, werden sie das Haus/ Bistro mit der Möhre sehen, wo ich kurz Rast machte. Es liegt an der D 906, einige Meter hinter der Kreuzung an der sie nach rechts auf die D19 abbiegen. Unterhalb verläuft die D 19 und darunter eine Bahnlinie. Der Stevensonweg verläuft von dort aus weiter über die D 19 entlang der Bahnlinie und einigen Häusern. Sie unterqueren die Bahnlinie und stoßen nach einer Brücke über die Allier auf die Kreuzung D 192 nach links und D 19 nach rechts. Der Stevensonweg führt sie nach links und davon rate ich dringend ab. Folgen sie der D 19 auf der Straße gegen die Fließrichtung der Allier. Nach gut drei Kilometern kommen sie dort an, wo die anderen Wanderer (die den Stevensonweg nahmen) eine Stunde später aus dem Wald kommen werden. Biegen sie rechts über die kleine Brücke nach Labrot von der D 19 ab und schon sind sie wieder auf dem Stevensonweg. Aber Vorsicht! Die Wegmarkierungen auf diesem Streckenabschnitt sind nicht perfekt.

Sie wandern in Richtung Pranlac, kommen auf die D 76, überqueren die Gleise und eine Brücke, gelangen in das Dorf Laveyrune und folgen der D 154 in Richtung des Weilers Rogleton (HIER UNBEDINGT AUFPASSEN!) wo die nächste Hürde in Form eines kleinen Pfades wartet, der im Frühjahr und bei Regen für Esel nicht passierbar ist. Probieren sie es gar nicht erst aus! Bleiben sie auf der kleinen Asphaltstraße rechts und gehen sie an der nächsten Möglichkeit wieder links. Der kleine Umweg durch das Dorf wird ihnen viel Kummer ersparen und dem Esel im Ernstfalle die Knochen retten.

Was jetzt kommt ist nicht weiter der Rede wert. Die Straße zieht sich und es folgt ein schwacher, dafür langer Anstieg. Die Wegmarken des GR 70 sind schlecht zu sehen und man muß etwas aufpassen. Aber La Bastide-Puylaurent und die Herberge Grand Halte sind in greifbarer Nähe.

Wir schleppen uns die letzten Kilometer und Nassis braucht immer häufiger kleine Pausen. Doch pünktlich 19 Uhr erreichen wir nach zwölf Stunden unser Ziel.

La Grande Halte

Das Hotel hat auch schon mal bessere Zeiten erlebt, mein Zimmer riecht etwas feucht und so einiges scheint renovierungsbedürftig. Doch diese Dinge sind nicht wichtig, weil alles da ist, was wirklich benötigt wird. Der Esel ist gut hinterm Haus untergebracht und man hat sogar etwas Eselfutter da, das Abendbrot ist einfach und dennoch unglaublich lecker und anschließend schlafe ich wie ein Stein. Was will man denn mehr?

Wandertip: Wenn sie das Trappistenkloster NOTRE DAME DES NEIGES besichtigen wollen – ein Tourpunkt, der häufig für diese Etappe empfohlen wird – dann sollten sie diesen Umweg auf den nächsten Tag verschieben. Leicht können sie von La Bastide-Puylaurent aus dorthin gelangen. Lassen sie ihre Sachen und vielleicht auch den Esel im Hotel und nehmen sie den Besuch des Klosters als kleinen Morgenspaziergang, bevor sie sich auf den kürzeren Weg nach Chasseradès machen. Sie können aber auch die Übernachtung in La Bastide auslassen und stattdessen, so wie auch Stevenson, gleich im Kloster übernachten. Das wäre sogar noch schöner und das Hotel La Grand’Halte muß man nicht unbedingt besucht haben.

Eselwanderung – Auf dem Stevensonweg von Bouchet nach Langogne

24.5.16 – Der zweite Wandertag auf dem GR 70

7 Uhr stehe ich an der Koppel und werde freudig begrüßt. Mein Eselchen hat mich erwartet und ich bin voller Zuversicht für die heutige, zweite Etappe. Es wird ein leichterer, wenn auch etwas längerer Weg. Doch erstmal führe ich Nassis vor die Unterkunft, wo er gestriegelt, gebürstet und bepackt wird. Gründlich kontrolliere und reinige ich die Hufe, achte auf jedes noch so kleine Steinchen und verabreiche zur Motivation ein hartes Brötchen aus Berlin. Scheint ihm zu schmecken. 7:45 verlassen wir die Auberge du Couvige in Bouchet St. Nicolas in Richtung Langogne, bestaunen kurz die große Holzskulptur von Stevenson und Modestine am Ortsausgang von Bouchet, wo wir von der D 31 auf eine Asphaltstraße abbiegen. Voller Schwung starten wir in die 2. Etappe.

Holzskulptur

Der Morgen ist kühl und neblig, weit voraus ein einzelner Wanderer an dessen Fersen wir uns heften. Die neue, zum Schluß der gestrigen Etappe erprobte Gangart scheint zu funktionieren. Ich laufe mal neben und mal hinter Nassis, schwinge mein Stöckchen und halte ihn auf Trapp. Er darf so viel fressen wie er will – und er will viel – wenn er dabei nur in Bewegung bleibt und mir scheint, daß er mit dieser Übereinkunft zufrieden ist. Laufend pflügt er durch den grünen Seitenstreifen, grandios beherrscht er die Kunst des fressenden Laufens (oder wohl doch eher umgekehrt). Er hinterläßt eine Spur der botanischen Verwüstung, nichts, was er nicht fressen würde. Mein Eselchen ist unersättlich und siehe da, wir kommen sehr zügig voran. Nach gut zwei Stunden erst, da sind wir schon beim Picknick in Landos, holen uns die ersten Wandergruppen ein, die uns schon vom Vortage kannten und wir werden freudig ausgefragt, fotografiert und für die Reise beglückwünscht. Nassis stellt sich in Fotopose und meint, hierin länger verharren zu können. Nichts da mein Freund, heute machen wir Strecke. Ich werfe einen kurzen Blick auf die romanische Kirche St. Felix und weiter geht es auf dem Stevensonweg. Pradelles erreichen wir noch vor 13 Uhr und hier gönnen wir uns eine längere Pause. Das Dörfchen (mehr ein Städtchen) ist wirklich ganz hübsch. Nur ob es zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört weiß ich nicht. Es ist auf jeden Fall ziemlich alt. 1177 als Castrum Pratellae (Burg auf den hohen Wiesen) erwähnt, liegt die Ortschaft an einem bedeutendem Pilgerweg. Na wer auch immer zu der  Einschätzung kam, es würde sich um eine Ortschaft von außergewöhnlicher Schönheit handeln, hat die Rechnung ohne meinen Nassis gemacht. In einem Straßencafe entdecke ich bekannte Gesichter und weil ich einen Bankautomaten suche, frage ich, ob ich mein Eselchen mal der Aufsicht fremder Wanderer anvertrauen könne. Gesagt, getan und wo sonst Mofas und Fahrräder stehen, lasse ich Nassis kurz zurück. Keine fünf Minuten später waren alle Blumenkästen vor dem Cafe ratzekahl lehrgefressen. Nichts wie weg, bevor die Kellnerin den Schaden bemerkt. Ich höre noch das Gelächter der anderen Wanderer, die etwas von Gourmet und Vielfraß rufen. Schuldbewußt schleiche ich mich davon. Wenn schon der Esel keine Reue zeigt … Gott ist das peinlich.

Im Cafe

Zwei Straßen weiter entdecke ich vor dem Touristenbüro einen Postkartenständer und lasse, da ich keine Blumenkästen sehe, den Donkey kurz alleine stehen (weil er das sonst auch ganz wunderbar macht). Ich sehe noch, wie er ein, zwei Schritte geht, dann lasse ich mich ablenken und schaue nach den Fotos. Die Leute fotografieren und fotografieren und Plötzlich höre ich, wie eine ältere Dame etwas von gesundem Appetit sagt. Entsetz fahre ich herum und sehe was er angerichtet hat. Sagen wir mal so, die beiden Rosenstöcke rechts und links der Treppe werden dieses Jahr wohl keine Blüten tragen. Knospen und junge Triebe – alles abgefressen. Schnell stecke ich die Postkarten zurück und schleunigst suchen wir das Weite und auch Nassis läuft wie beflügelt und biegt vor mir um die nächste Ecke. Ich lasse ihn laufen und schaue mir die hübschen Straßen an. Muß ja nicht jeder wissen, daß wir zusammengehören. Da plötzlich Geschrei und Gezeter, was hat er nun wohl wieder angestellt? Mein Esel steht vor einer Hofeinfahrt und kaut, während eine ältere Dame ihn wütend beschimpft und als ich näherkomme, entdecke ich die ruinierten Blumenkübel. Ok, das ist nicht die feine englische Art, aber wir werden uns doch wohl einigen können. Was hatte er denn alles? Wie, sie hatten da einen Blumenkübel mit Ziergras? Können sie das beweisen? Ich seh da nämlich kein Gras. Nassis kaut und wendet den Kopf. Mist, aus der anderen Seite seiner kauenden Schnauze guckt Blaschwengel raus. Ja, mit Gras kennt mein Süßer sich aus. Ich bezahl ihnen doch kein Gras. Wenn ich das ganze Gras, was der Kerl bisher gefressen hat, bezahlen müßte. Nicht auszudenken. Nassis blickt versunken und hebt den Schwanz. Das ist zu viel für die Dame, die in einem frischen Eselhaufen keinen adäquaten Ersatz für ihr Ziergras erkennen kann, und nun werden wir vom Hofe gejagt. Da sieht man es mal wieder, die Leute lesen eindeutig zu wenig Märchen. Wer weiß, vielleicht wären es Goldstücke gewesen. Komm, laß die Alte meckern, wir gehen. Er hört aufs Wort und läßt den Schwanz sinken. Wie, du hast das nur vorgetäuscht? Oder willst du nur weiter, weil weit und breit nichts Fressbares mehr zu sehen ist. Ich klopfe ihm anerkennend auf den Hals und beschließe, mich bei Gelegenheit mit Möhren zu revanchieren. Wir verlassen die leergefressene Auvergne und marschieren stramm in Richtung Langogne, wo wir kurz nach 17 Uhr ankommen, einen gemeinsamen Stadtbummel machen und dann zu unserem Quartier etwas außerhalb wandern. Ein Weg, für den wir noch eine weitere Stund benötigen und der gerade mir viel abverlangt. Schon längst hatte ich mich gemütlich in der Sonne sitzen gesehen und nun wird es später und später und der Weg zieht sich wie Kaugummi. Aber es lohnt sich, ich bin sofort versöhnt mit der Welt, die Unterkunft im Les Terasses du Lac ist sensationell und wir werden freundlich erwartet und begrüßt. Ein riesiger See – der Lac de Naussac – ein tolles Zimmer mit Blick auf die Eselkoppel, das Abendbrot ist großartig und als ich mit Handtuch und Badehose bewaffnet zum See schreiten will, entdecke ich meinen Nassis vor der Lobby, wie er die Auslagen in den Rabatten studiert. Ausgebüchst der olle Houdini und wieder auf der Suche nach diversen Köstlichkeiten. Ich nehme ihn am Ohr und führe ihn zurück zur Koppel, suche und finde die Lücke im Zaun und gehe nun doch direkt ins Bett.

Gründe des Zögerns und des Stehenbleibens

Es gibt viele Gründe, die einen Esel daran hindern flott zu laufen und es gibt noch mehr Gründe für sein hartnäckiges Stehenbleiben. Ich will versuchen, die wichtigsten dieser Pausen – die wie aus dem Nichts kommend, über den Esel und seinen Herrn hereinbrechen – zu nennen und  dabei einige Möglichkeiten aufzeigen, mit denen man den Esel wieder in Gang setzen kann. Und kommen sie nie, niemals auf die Idee, einen Esel mit Leckerli zu locken! Wenn er das begreift, geht er nur noch, wenn sie Leckerlis anbieten. Einen Esel zum Laufen zu bringen ist nicht so schwer. Die Kunst ist, ihn am Laufen zu halten! Im Folgenden werden einige Probleme und möglich Lösungen (mit einem Augenzwinkern) beschrieben und die Kunst des richtigen Ziehens erstmals unter Punkt 4 erläutert.

Stehenbleiben

1. Ungeklärte Herrschaftsverhältnisse – Wer ist der Boss? Die Frage, wer auf einer Tour das Sagen hat, ist gerade in reinen Zweier-(Esel-Mensch)-beziehungen von größter Bedeutung und wer hier Unklarheiten zuläßt, wird sich mit ungeahnten Herausforderungen konfrontiert sehen. Sagen wir mal so, die Tour verläuft im Falle einer Übernahme des Kommandos durch den Esel anders als geplant. Sie werden sich zu Beginn einer Wanderung mit zahlreichen, teils recht unterschiedlichen und überraschenden Versuchen des Esels konfrontiert sehen, die Herrschaftsverhältnisse von den Füßen auf die Hufe zu stellen und ein erprobter Wanderesel kennt da so einige Tricks, die ich im Fogenden aufführen werde. Das geht vom einfachen Stehenbleiben über schleichen, laufen-fressen-laufen-fressen … wobei nach einer Weile mehr gefressen als gelaufen wird, selbst humpeln ist möglich und bei Bedarf geht es auch rückwärts und selbstverständlich würde der Esel gerne das Tempo und noch besser auch die Richtung festlegen. Da hinten die Butterblumen, die müssen weg. Nur wollten sie da hin? Glauben sie mir, es wäre das falsche Signal, wenn sie an dieser Stelle Tierliebe mit Führungsschwäche verwechseln. Zu Anfang gehen sie neben dem Esel, führen diesen am kurzen Führstrick und sie bestimmen Richtung und Tempo und sie unterbinden auf jeden Fall diese permanente Fresserei am Wegesrand. Fressen ist nötig, im Sommer sicher auch trinken, doch dafür gibt es genügend Gelegenheiten: wenn sie z.B. ein Foto machen, in den Karten blätter oder selber mal im Wald verschwinden.

2. Das Universum Hier hilft nichts. Der Esel möchte stehen und sie sollten auf jeden Fall eine längere Pause von ca. 20 bis 30 Minuten einplanen. Sollten sie das Gefühl haben, daß der Esel sie anschaut, haben sie es mit Punkt 3 zu tun. Handelt es sich wirklich um das Universum, blickt er durch sie hindurch. Es gibt nichts, was sie tun können. Jedenfalls nichts, was den Esel kurzfristig wieder in Betrieb setzen wird. Kochen sie Tee oder Kaffee, machen sie ein Nickerchen. Weder Futter noch gute Worte, kein Betteln, Schieben und Zerren wird zum Erfolg führen. Sie werden niemals verstehen, warum das Vieh steht. Haben sie einfach nur Geduld.

3. Das Sein, das Nichtsein und andere philosophische Fragen Geduld ist auch hier gefragt. Doch im Unterschied zur ersten Kategorie gibt es die Chance des Verstehens. Der Esel steht und schaut in eine bestimmte Richtung und versinkt scheinbar über der Betrachtung einer nicht näher zu benennenden Sache in eine Art Trancezustand. Hier lohnt es sich durchaus, wenn sie drängeln (was man von hinten tut) oder zum Weitergehen anstiften (von vorn). Wenn sie es nicht eilig haben, ist der Anfall nach 5-10 Minuten vorbei. Gefühlt handelt es sich immer um Stunden. Zur Inbetriebnahme durch drängeln empfehle ich ein Stöckchen, was hinter dem Esel auf die Straße peitscht. Oder sie kitzeln ihn kurz über den Hufen – in Höhe der Fesseln befindet sich eine Kuhle und die eignet sich prima, um philosophische Betrachtungen zu beenden. Sie können den Esel auch links und rechts vom Schwanz leicht in den Po kneifen. Nur denken sie daran, ihr Karma nicht durch Grobheiten zu belasten.

4. Das Ding an sich ist im Gegensatz zur Philosophie Kants – wo der Begriff teilweise widersprüchlich verwendet auftaucht – durchaus intelligibel und damit verstehbar. Das Problem ist nur, daß sie, um die Sache zu verstehen, denken müßten wie ein Esel – was mir hin und wieder gelungen ist! Der Esel betrachtet nicht eine bestimmte Sache, nein, er denkt über eine konkrete Sache nach – er imaginiert sie. Hier helfen durchaus kurzzeitige Richtungswechsel. Schieben sie den Esel nach links oder rechts und gehen (also mehr drücken oder ziehen) sie mit ihm einmal im Kreis. Läuft er nach der Kreisbewegung in die gewünschte Richtung weiter, ist das Ding an sich davongeschwebt. Bleibt er an gleicher Stelle stehen, handelt es sich um Punkt 2 und sie müssen zu härteren Maßnahmen greifen. Wenn der Esel aber nur träumt, dann können sie auch ziehen. Wichtig ist dabei, daß sie nicht ruckartig und grob zerren. Das mag manchmal funktionieren, gerade auf abschüssigem Gelände, doch gut ist es nicht. Wer RICHTIG ZIEHEN will, gibt Spannung auf den Führstrick, ruhig kräftig und so, daß der Esel merklich mit dem Kopf in ihre Richtung kommt. Nicht zu derbe! Aber er muß es spüren. Und diese Spannung halten sie. Halten! Der Führstrick bleibt straff – mehr nicht. Nicht weiter ziehen. Nur so stehen und warten und halten. Macht der Esel eine Bewegung, einen Schritt, lassen sie sofort nach. Meist muß man dies wiederholen, doch nach drei, vier Phasen der Spannung auf dem Führstrick gibt der Esel auf und läuft. Er darf entscheiden, ob er läuft, oder das unangenehme Gefühl des gespannten Führstricks ertragen will. Er muß aber merken, daß dies sofort aufhört, wenn er tut, was verlangt wird UND DIES GILT AUCH FÜR ALLE ANDEREN MAßNAHMEN! Seien sie gut zu ihrem Esel. Dann dürfen sie auch etwas fordern.

5. Gras und Blätter und überhaupt … Freßbares am Wegesrand Die Gesamtheit aller freßbaren Pflanzen auf dem Weg ist für den Esel kein theoretisches Hindernis, die Verdauung all dieser Nahrungsreserven nicht wenigstens in Angriff zu nehmen. Jeder halbwegs wandererfahrene Esel beherrscht die Kunst des Freßlaufens oder mehr des laufenden Fressens. Achten sie darauf, daß er dennoch in Bewegung bleibt. Ich empfehle ein ca. 3 bis 4 Meter langes, peitschenartiges Stöckchen, was ihnen erlaubt – wenn sie hinter dem Esel hergehen – ihn wahlweise rechts oder links an einem Übermaß der fortgesetzten Nahrungsaufnahme zu hindern. Lassen sie das Stöckchen ruhig immer wieder neben ihm ins Gras sausen. Keine Sorge, es ist möglich 20 Minuten ohne fressen zu wandern und dabei nicht zu verhungern. Wenn sie neben dem Esel laufen, können sie den Führstrick schön kurz fassen und bei Bedarf, wenn der Esel z.B. mal rechts abbeißen will, sofort reagieren und die Freßbewegung unterbinden. Gerade zu Anfang der Tour sollten sie bestimmen, wann und wo pausiert wird.

6. Fremde Scheißhaufen sind fast immer von Interesse und werden gern ausgiebig beschnuppert, wobei sie davon ausgehen können, daß es sich hierbei nur um vorgeschobene Gründe handelt. Der Esel nutzt diese Schnupperanfälle nur für kleine Pausen von 20 Sekunden bis max. 1 Minute. Ich habe oft genug erlebt, daß es auch anders geht und das Geruchserlebnis durchaus verzichtbar sein kann.

7.  Eigene Scheißhaufen sind zwar kein Grund um anzuhalten, aber hier ist es ein Gebot der Höflichkeit, dem Esel etwas Ruhe zu gönnen. Es ist zwar richtig, sofort zu reagieren, wenn der Graue aus der Reihe tanzen möchte, doch wenn er den Schwanz anhebt und sich etwas gespreizt stellt, sollten sie nicht zerren oder schieben, sondern freundlich in den Wald schauen. 15-20 Sekunden.

8. Gruppen von Wanderern (vorzugsweise beim Picknick) sind immer ein sehr guter Grund für eine Verzögerung oder gar eine längere Pause. Der Esel als Herdentier schätzt größere Menschenansammlungen und schließt sich denen auch gerne an. Er nutzt jede Gelegenheit, um sich die im Umlauf befindlichen Lebensmittel genauer anzuschauen. Gehen sie bitte davon aus, daß Esel nicht besonders sensibel betteln, sondern eher etwas naßforsch zu Werke gehen. Habenwollen und zwar sofort. Allerdings geben sie schneller auf als Hunde, wenn man sie wegschiebt. Das Problem ist, den Esel an der Gruppe vorbeizuführen, weil in diesem Falle mehrere Gründe des Stehenbleibens zusammenfallen: Betrachtungen der Gruppe und Betrachtungen der einzelnen Lebensmittel, Vorstellungen und Träume, wie diese wohl schmecken (könnten) und die nur langsam einsetzende Erkenntnis, daß nicht alles erreichbar was sichtbar ist. Sehr schwierig. Wenn ihnen selber nicht nach Pause und Picknick ist, wird es schwierig. Zumal jetzt die ganze Gruppe zuschaut, wie es ihnen wohl gelingen wird, beim Esel die Bremse zu lösen. Relativ einfach ist, auf das Ende der Pause zu warten und zusammen mit der Gruppe zu starten. Ist der Esel erstmal wieder in Bewegung können sie die Gruppe davonziehen lassen.

9. Steigungen sind manchmal schwierig und sie sollten durchaus bedenken, daß der Esel einen Großteil des Gepäcks trägt. Also passen sie sich seinem Tempo an und gönnen sie ihm kurze Verschnaufpausen. Besonders im Hochsommer sollten sie darauf achten. Zum vorsichtigen Antrieb dürfen sie leicht mit dem Stöckchen auf die Straße klopfen und ihn verbal etwas anfeuern. Wohlmeinde Klapse auf den Po kommen immer gut an. Nur seien sie nachsichtig. Einige der Steigungen sind wirklich schwierig und sie sollten hinter dem Esel gehen. Den für ihn besten Weg findet er selber und bergauf ziehen bringt gar nichts. Wenn sie so wie ich alleine mit einem Esel wandern, empfehle ich vor großen und langen Steigungen einen Blick zurück und wenn eine weitere Wandergruppe im Anmarsch ist, können sie deren Eintreffen für den gemeinsamen Anstieg nutzen. Kurz warten, bis die Gruppe aufgeschlossen hat und dann mit Schwung …

10. Abstiege und andere Hindernisse können auch schwierig sein und sie sollten auf verschiedene Dinge achten. Es kann sinnvoll sein, dem Esel voranzugehen und selber nach einem guten Weg zu suchen. Doch achten sie darauf, daß der Esel durchaus auch mal springt – gerade bei Abwärtsbewegungen – und sie deshalb nicht zu dicht vor dem Esel gehen sollten. Ich würde auch behaupten, daß Esel recht trittsicher sind und es deshalb ok ist, wenn sie bei Abstiegen eher folgen. Allerdings gilt es darauf zu achten, daß der Esel bei Abstiegen gern mal losrammelt und vorangehende Wanderer dabei durchaus zur Seite schiebt. Halten sie Abstand zu anderen Gruppen und gehen sie nicht neben dem Esel, wenn auf ihrer Seite ein Abhang ist.

11. Geräusche sind immer ein Grund, um kurzfristig stehenzubleiben. Eselohren sind sehr fein und sie werden sich manchmal fragen, was denn nun schon wieder ist. Aber wenn er etwas hört, was ihn beunruhigt, dann hält ein Esel schon mal gerne an und prüft, ob Gefahr droht. Sie können diesen Vorgang leicht an der Stellung der Ohren erkennen. Es handelt sich hierbei aber nur kurfristige Momente des Haltens. Lustig ist auch, die eigenen Ohren in die weichen Eselohren zu drücken und den Geräuschen zu lauschen. Eine weitentfernte Straße, die ein Mensch niemals hören würde, taucht plötzlich als leichtes Rauschen auf.

12. Sehenswürdigkeiten und Bemerkenswertes gibt es viele und so wie sie selber nach den verschiedensten Dingen schauen, guckt auch der Esel mit Interesse auf seine Umwelt. Menschen in Gärten oder andere Esel, Katzen, Autos und Kindergruppen. Lauter Gründe für kurze Betrachtungen.

13. Erschöpfung gibt es auch beim Esel und sie sollten deshalb immer für Pausen sorgen. Richtig ist, daß ein Esel nicht permanent fressen muß, doch hin und wieder eine kleine Freßpause gehört dazu und im Sommer braucht das Tier auch tagsüber Wasser. Wenn sie Rast machen, nehmen sie ihm unbedingt das Gepäck und das Tragegestell ab. Zum einen verrutscht die Ladung immer wieder und das drückt und außerdem lieben es Esel, wenn sie sich mal wälzen können. Gönnen sie ihm diese Erholungsphasen.

Eselwanderung – Auf dem Stevensonweg von Le Monastier-sur-Gazeille nach Le Bouchet-St.-Nicolas

23.5.15 – Der erste Wandertag auf dem GR 70

7:30 geht unten die Tür und Vick kommt ins Haus, ruft „Kaffee?“ mehr als retorische Frage und schiebt Balu, der über Nacht unten schlafen durfte, wieder vor die Tür, Marie führt Nassis in den Hänger, ich kann vor lauter Aufregung gar nichts essen und packe fix die letzten Sachen in die großen, grünen Gepäcktaschen. Mein Herz pocht wie wild. Das Wetter ist hellgrau und hier und da ein blaues Loch. Auf geht’s. Nicht ein einziger Zweifel fährt mit, ich bin in Gedanken schon unterwegs, versuche mir vorzustellen, wie wohl die ersten Kilometer verlaufen werden. Ich träume, während die Landschaft an mir vorübergleitet. In wenigen Tagen werde ich die Gegend zu Fuß durchqueren. Eine schöne, beruhigende Landschaft. Vick fährt mit dem Jeep und Anhänger voraus und wir hinterher. Es geht zum Startpunkt Le Monastir, wo wir 9:30 ankommen. Ich mache oben im Dorf am Place de la Poste noch ein Foto von der Gedenkplatte, die Stevenson zu Ehren hier angebracht wurde, und nur Minuten später lege ich unter Maries strengem Blick die Satteldecke auf, hebe Nassis das Tragegestell auf den Rücken, ziehe alle Gurte fest, hänge schnell nacheinander beide Tragetaschen dran, befestige die kleine Tasche mit den Esel-Notwendigkeiten dahinter, Führstrick, Vick macht einige Bilder

Start

und schon geht es los, den ersten, steinigen Berg hoch, hinein in den Wald. Der Weg gleicht stellenweise einem ausgewaschenen Flußbett und vorsichtig achte ich darauf, nicht auf lose Felsbrocken zu treten. Mein Esel kommt am Führstrick langsam hinterher und in mir keimt der Verdacht auf, ihn gestern flotter auf den Hufen erlebt zu haben. Ich ziehe mehr als ich will und getraue mich gar nicht anzuhalten, weil ich fürchte, der Eselmotor könne dann vollends zum Stehen kommen und möglicherweise nicht wieder anspringen. Derlei Befindlichkeiten sollten uns noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Die ersten 200 Meter gehen ganz gut, weitere 100 lasse ich der Steigung wegen durchgehen, doch man soll den Tag nicht vor dem Abend, oder sich zu früh freuen, wie auch immer. Plötzlich steht das Vieh und ruckt sich nicht. Ich hätte mir für den Anfang etwas mehr Elan gewünscht, zumal ich der Meinung war, wir hätten dies gestern während der Probetour abschließend geklärt. Hilfesuchend blicke ich ins Tal, wo Vick gerade auf die Straße biegt und Gas gibt, aber Marie ist noch da und blickt uns nach, macht eine kreisende Armbewegung – er scheint zu wissen was kommt, unterschätzt jedoch meine Entschlossenheit – und ich … Ziehen hilft hier nicht, es geht bergauf und da hat dies nun gar keinen Sinn, für eine Drehung ist kein Platz und ich bin mir sicher, der Kerl weiß, warum er genau hier stehenblieb. Er weiß aber nicht, daß ich an ihm vorbei nach hinten kann und mit einem angedeutetem Tritt und dem lauten Ablassen kräftiger Flüche für flotten Marsch sorge. Ein zugegeben banaler Trick, doch weil alles was hinter ihm passiert sich seinen Blicken entzieht, entscheidet der Esel wie alle Fluchttiere sich unter solchen Umständen dann doch für das kleinere Übel und geht weiter, damit hinter ihm wieder Ruhe einkehrt. Marie winkt uns noch einmal zu und klatscht, wir laufen bergan und verschwinden nach wenigen Minuten im dichten Blätterwald. Ab jetzt bin ich auf mich allein gestellt, niemand da, der mir hilft und wir haben eine lange Etappe vor uns. Beständig geht es bergauf, der Weg ist eng und wir wechseln permanent die Seite, gehen mal rechts und dann wieder links am Wegrand, höher und höher. Bereits nach 20 Minuten träume ich von einem kleinen Abstieg und gucke immer wieder in den Wald, wohl in der Hoffnung auf den hellen Gipfelpunkt. Nassis wird langsamer und ich versuche es wieder mit ziehen. Der Weg ist zerklüftet und führt teils über hohe Stufen. Ich gehe voran, weise mit dem Führstrick den Weg und merke, daß mein Eselchen vor einigen Schritten stockt, überlegt und dann vorsichtig höhersteigt. Es sieht nicht so aus, als würde ihm gefallen, was wir da tun. Mir macht die Strecke so langsam Sorge, weil wir nicht vorankommen, selbst die Hälfte des Weges noch in weiter Ferne liegt und Nassis trödelt was das Zeug hält. Ständig frißt er junge Blätter und Gras, schnuppert an Hinterlassenschaften anderer Tiere, hält an und scheint nachdenken zu wollen. Nur worüber? Ein erster Wanderer holt uns ein und macht ein Bild von uns. Nein, mein Esel heißt nicht Modestine und ich bin nicht der Stevenson.

Nassis und ich

Die wenigen Häuser des kleinen Örtchens Le Cluzel nehme ich nur beiläufig war, für den Weiler Courmarcès habe ich keinen Blick übrig. Bloß nicht anhalten und verschnaufen. Wenn der Esel steht, dann steht er. Unter Mühen erreichen wir Saint-Martin-de-Fugères, gönnen uns eine kleine Pause und beginnen mit dem Abstieg nach Goudet, wo Stevenson einst zu Mittag aß. War schon der Aufstieg die Härte, so fällt der sehnsüchtig erwarte Abstieg noch schlimmer aus. Nassis zögert vor vielen Schritten und ich versuche ihm immer wieder zu helfen. Die Ladung verrutscht gefährlich weit nach vorn und irgendwann nehme ich ihm die Taschen ab und trage diese selber mehrere hundert Meter den Weg hinab. Eine Pause, die der Graue scheinbar dringend braucht. Ist der lungenkranke Stevenson wirklich diesen Weg gegangen? Ich laufe zurück und will den Esel holen, der vor einer hohen Stufe steht, alle vier Hufe in den Boden stemmt und sich nicht mehr rührt. Im Tal unten kann ich bereits die Brücke über die Loire sehen. Die Brücke, vor der Marie mich gewarnt hatte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grunde hat Nassis wohl Hemmungen diese Brücke zu überschreiten. Was würde ich geben, wenn wir nur schon da unten wären. Sein neuster Trick sind kurze Strecken. Er läuft dreißig Meter um wieder stehenzubleiben. Dreißig Meter und halt und wieder dreißig Meter und Pause. Er treibt mich noch in den Wahnsinn und wie er begierig an jedem Pferdeapfel schnuppern muß. Ich will jetzt da runter und so langsam werde ich ärgerlich. Bergab bin ich dann doch der Stärkere und Nassis gibt endlich auf, folgt mir bis zu der Stelle, wo ich das Gepäck ablegte und läßt sich seelenruhig wieder beladen. Macht einige Schritte, stockt und dreht den Kopf. Mit Entsetzen sehe ich, was da auf uns zugetobt kommt und kann meinem flüchtenden Esel den Führstrick nur noch über den Rücken werfen. Ein Jungbulle hat uns entdeckt und stürmt wie ein wildgewordener Stier auf uns zu. Nassis macht einen Satz und galoppiert den Weg hinunter. Da schau mal einer an, wie flott mein Eselchen laufen kann. Nur ich sehe mit Sorge den dünnen Draht vor mir und bin mir nicht sicher, ob dieses wildgewordenen Rindvieh weiß, daß dieser Draht nicht wirklich ein Hindernis ist. Ich greife mir den erstbesten Knüppel und fuchtele wie wild damit herum. Mein Gott, im Größenvergleich könnte ich auch mit einem Streichholz winken. Der Kerl kommt in einer riesigen Staubwolke kurz vor dem Zaun zum Stehen, schnaubt und senkt die Hörner. Ich lande mit meinem Hölzchen einen Volltreffer auf seinem Schädel und nehme nun selber die Beine in die Hand. Noch einmal riskiere ich einen flüchtigen Blick zurück und sehe mit Genugtuung, daß mein Knüppel auf einem der Hörner steckt. Jetzt hat der abdrehende Jungbulle im wahrsten Sinne des Wortes ein Brett vor dem Kopf. Mistvieh. Nur wo ist mein Esel? Ich sammle einige Gepäckstücke auf, die er wohl bei der rasanten Flucht verloren hat und nach zwei Biegungen sehe ich ihn friedlich grasend auf dem Weg stehen. Nach diesem Schreck brauche ich selber eine Pause und dann zeige ich dem Esel wer der Herr ist. Genug gefressen und pausiert, der steile Abhang ist mein Vorteil und nach reichlich vier Stunden Wanderung haben wir die Hälfte der Strecke geschafft und sind sogar ohne Zögern über die Brücke in Goudet. Hier hat der Kerl wohl schon so manchen Wanderer zur Verzweiflung gebracht. Doch ich habe ein Ziel und denke an den Weg hinter der Brücke. Läuft die Angst mit, zögert man selber, nutzt das Eseltier dies gnadenlos aus. Ich schreibe Marie eine SMS, vermelde einen ersten, kleinen Erfolg, mache ein Foto von Nassis und der Ruine des Château de Beaufort im Hintergrund, atme tief durch und schon geht es weiter.

Goudet

Reisetip 1 für Wanderer mit Esel: Vergessen sie diesen ersten Abschnitt von Le Monastier nach Goudet. Beginnen sie ihre Wanderung hier an der Brücke über die Loire. Sie verpassen nichts, rein gar nichts und sie sparen sich eine wirklich schwierige, kraftraubende Strecke. Wer vor der Reise noch keine Erfahrungen mit Eseln gemacht hat, wird sonst vielleicht aufgeben wollen. Glauben sie mir. Rückblickend betrachtet ist dieser erste Abschnitt – der zudem in die Eingewöhnungsphase fällt – der schwierigste Abschnitt der Tour.

Wir folgen den Markierungen für den Stevensonweg, bleiben kurz auf der Hauptstraße D49, nehmen eine weitere, steile Steigung und erreichen schon bald das kleine Örtchen Montagnac. Die Wegmarkierungen sind meistens gut zu sehen und bis auf wenige Hinweise zu plötzlichen Richtungswechseln auch eindeutig. Wir überqueren die D54, laufen weiter auf unserem Pfad, treffen am Ortseingang von Ussel erneut auf die D49. An dieser Stelle muß man etwas aufpassen, weil es kurzzeitig über die D491 geht. Die leicht zu übersehende Rechtsabbiegung nach dem letzten Haus führt auf einen recht breiten Erdweg, bevor man nach einer weiteren Rechtskurve einen Grasweg auf der linken Seite einschlagen muß. Im Sommer sollte man unbedingt am Wasserreservoir halten und dem Tier die Möglichkeit geben zu trinken. Es ist ein schöner, leichter Weg und nach dreißig Minuten sind wir endlich in Bargettes. Nassis tut mal wieder so, als könne er nicht mehr, doch in Wahrheit bin ich es, der auf dem Zahnfleisch kraucht. Aber ein Ass habe ich noch im Ärmel und das spiele ich jetzt aus. Esel mögen es nicht, wenn sie von hinten drangsaliert werden und damit fange ich jetzt gnadenlos an. Sein Pech, daß er hinten nicht gucken kann und sein Ohren gaukeln ihm nichts Gutes vor. Mir egal, der mitgenommene Regenschirm klapp und klappt, leicht berühre ich ihn an den Beinen und schon beginnt mein Eselchen den flottesten Galopp. Der Führstrick ist überflüssig, ich laufe schimpfend und fluchend, laut rufend wie ein Eseltreiber hinterher, klappere mit dem Regenschirm und ohne große Probleme schaffen wir die letzten 5km bis zum ersten Quartier der Auberge du Couvige in Le Bouchet St. Nicolas in einer Stunde und 20 Minuten.

Nassis kommt auf die Weide, welche in einiger Entfernung hinter der Herberge liegt, ich beziehe ein wirklich wunderbares Zimmer, nehme eine heiße Dusche, dann folgt ein mehrgängiges Menü der Spitzenklasse und noch während ich dies schreibe, fallen mir die Augen zu. Ich träume, denke noch einmal an das tolle Essen – es gab Salat und eine Terrine, Grüne Linsen (ganz typisch für die Gegend) in Sahnesoße, Wild in Rotwein mit Möhrchen und bis zur Käseplatte bin ich wegen Freßnarkose gar nicht mehr vorgedrungen – und schlafe wie ein Stein, trotz Kaffee, ein.

Ich bin der König des Eselhofs

22.5.16

Bis 10 Uhr tut sich nichts. Mein erster Gedanke geht in die Richtung Vorwurf. So kommen die niemals auf einen grünen Zweig und wenn selbst die Landleute es derart gemütlich angehen lassen, sehe ich schwarz für La Grande Nation. Typisch deutsche Gedanken vielleicht, Gedanken, die mir nicht zustehen und die ich gern zu verscheuchen suche. Insgeheim dachte ich wohl doch, es könne jemand im Haus gewesen sein, der mich gestern am späten Abend noch nicht erwartet hatte und der morgens gern lange schläft. War ich wirklich ganz allein hier draußen, hat niemand mein Kommen bemerkt? Das Schöne an solchen Gedanken ist, sie werden oft schneller als gedacht von ganz alleine widerlegt, von Zauberhand zur Seite gewischt und so lange man sich der zum Glück unausgesprochenen Vorwürfe bewußt ist, darf alles was kommt, als freundlicher Fingerzeig des Schicksals begriffen werden, als Erinnerung und Mahnung, wie schnell und leichtfertig aus solchen Gedanken auch Vorverurteilungen und falsche Schlüsse gezogen werden. Ich fische etwas trockenes Brot aus dem Kofferraum und bevor ich mich auch nur umdrehen kann, steht der Esel von gestern Nacht wieder hinter mir und bedeutet mit einem Nicken seine Bereitschaft zur weiteren Nahrungsaufnahme. Mein Guter, du bist recht verfressen wie mir scheint. Woher weißt du eigentlich, was ich hier mache? Hat dir jemand gesagt, was es hier gibt? Bereitwillig stopfe ich ihm einige Stücken ins Maul und frage mich, welche Menge Futter wohl in einen Esel hineingeht, bis er selber denkt, jetzt wäre es genug. Ich fülle mir die Taschen mit Brot und gehe zu den anderen Tieren und während ich Leckerli verteile, kommt plötzlich ein kleines Auto auf den Hof und ich werde im breitesten Kanada-Englisch begrüßt. Gott sei Dank, denke ich, galt doch meine größte Sorge meinen nichtvorhandenen Französischkenntnissen. Was im Zusammensein mit dem Esel kein Problem sein würde, nur die ganze Vorbereitung, all die Erklärungen und Hinweise. Ich hatte Schlimmstes befürchtet und auch darüber hatte ich mir wieder viel zu viele Gedanken gemacht. Geht es etwa nur mir so?

Der Herr stellt sich als Vick vor, reicht mir sein Telefon und schon höre ich die Stimme von Marie, auf deutsch – noch so ein Fingerzeig – und kurz darauf streichle ich Balu über seinen Hundeschädel, werde ins Haus gelassen und bin dann wohl für einen Tag und die kommende Nacht der König des Hofs, der Herrscher über 26 Esel, einen hünenhaften Hund und Gänse und noch bevor ich überhaupt fragen kann, welcher Esel mich denn auf meiner Wanderung begleiten wird, stellt Vick mir Nassis vor, der gleich hinter uns her zur offenen Tür hinein mit ins Haus marschiert war. Na wir hatten uns ja schon kennengelernt. Und während Vick ihn mit lauter Stimme aus dem Hause jagd, schaut der Esel neugierig links und rechts, ob es nicht doch etwas gäbe, was im Rückwärtsgange noch zu erhaschen wäre. Dem schmeckts scheinbar gut.

Vick zeigt mir, wo ich die nächste Nacht schlafen werde, kocht Kaffee, packt mit mir zusammen das Gepäck auf den Esel und schon geht es auf zu einer ersten Proberunde. Ach wie schön, der Esel läuft. Denkste, zu früh gefreut. Erstmal 100 Meter und plötzlich steht er, der Esel stehen. Das fängt ja gut an. Über eine halbe Stunde lang tut sich nichts, wir stehen da und schweigen uns an. Zuerst versuche ich es mit Kreisen linksherum und rechtsherum, ein kräftiger Klaps auf den Hintern bringt natürlich nicht den gewünschten Effekt und als es mir zu bunt wird, gebe ich dann doch gleichbleibenden Zug auf den Führstrick. Man braucht für diese Variante viel Geduld und auch etwas Kraft, aber ich geh doch nicht jahrelang in die Muckibude um mir von einem Esel auf der Nase herumtanzen zu lassen. Der Führstrick ist straff gespannt und ich kann mir nicht vorstellen, daß das angenehm ist. Aber er hat die Wahl: Laufen oder in unbequemer Haltung stehen. Man muß bei der Übung aber sofort nachlassen, wenn der Esel eine Bewegung zeigt. Er täuscht dies auch zwei- dreimal an, doch auch diesen Trick kenne ich. Nach weiteren 10 Minuten gibt er auf, akzeptiert fürs erste, daß ich der Boss bin und folgt mir brav über die Dörfer.

Probelauf

Zwei Stunden später sind wir zurück und während es für mich Kaffee gibt, bekommt Nassis Trockenbrot. Balu beäugt mißfällig den Esel in der Küche und in diesem Moment fällt mir ein, daß ich nichts über die Stubenreinheit von Eseln weiß. Also hinaus mit dir, husch husch, geh zu deinen Artgenossen. In welcher Entfernung wohl grad der nächste Mensch zu finden wär? Die Tür geht auf und Vick kommt herein und wieder scheint die Welt kleiner als gedacht. Wir plaudern und warten auf Marie, die sich mit Pizzen angekündigt hat – der Abend vergeht wie im Flug. Marie ist klein, um die 50, hat lange blonde Haare und spricht wunderbar deutsch. Gemeinsam gehen wir die Route noch einmal durch, schauen wo es es Probleme geben könnte und wie diese zu umgehen wären, besprechen alles Notwendige und ich berichte von meinen bisher gemachten Erfahrungen im Umgang mit Eseln. Ganz unbeleckt bin ich nicht und nach dem heutigen Ausflug werde ich leicht optimistisch.

Eselwanderung – Willkommen in Le Plagnal

21.5.16

Ankunft in Le Plagnal/ Mas Lasseze 07590 auf dem Hof Les Mas Des Ânes von Marie-Ange Benoit um 20:30. Ein kalter Wind pfeift durch meine Sachen, weit und breit kein Mensch zu sehen und ich beschließe im Auto zu schlafen, zumal der Hofhund, ein riesiger Owtscharka, mich nicht so anguckt, als würde er mich freiwillig an sich vorbei in Richtung Haus lassen wollen. Er hat drei- viermal gebellt und wartet seitdem ruhig ab, ob ich mich für Distanz oder Kampf entscheide. Recht scheint ihm beides zu sein und ich muß dabei unweigerlich daran denken, daß man hierzulande meist zwei Hunde hält: einen der bellt und einen der beißt. Der Riese dort vor dem Haus tut bei Bedarf wohl beides. Aber wenn jemand da wär, hätte sein Gebell längst auf einen Ankömmling aufmerksam gemacht. Ich suche mir einen Stellplatz für das Auto, lehne den Sitz zurück und mache es mir gemütlich. Der Hund nimmt zum Glück keine weitere Notiz von mir und ich krieche in meinen Schlafsack. Ein erstes Urlaubsgefühl macht sich breit und ich überlege, welches der zahlreichen Grautiere, die ich von meinem Platz aus beobachten kann, mich wohl begleiten wird. In kleinen Gruppen stehen sie beisammen und fressen Stroh. Das Wetter macht ihnen offensichtlich nichts aus und während der Wind das Auto schaukelt werde ich müde und nicke ein, bis ein Geräusch mich aus meinen Träumen reißt. Irgendwas schleicht ums Auto und ich schrecke hoch, links nichts, rechts nichts und dann im Rückspiegel zwei Augen, die neugierig gucken. Gott sei Dank, nur ein freilaufender Esel. Müde drehe ich mich zur Seite und im nächsten Moment steht er auf der Fahrerseite und popelt am Außenspiegel. Ich schalte die Zündung ein, lasse die Scheibe herunter und habe sofort die samtweiche Eselnase in der Hand.

Erster Kontakt

Na mein Freund, du bist ja gar nicht neugierig. Er riecht gut, nach Wind und Heu, frischem Gras und einer herrlichen Musknote. Ein dicker Brotkanten wechselt den Besitzer und ich bewundere die unglaublich flauschigen Ohren. Was für ein schönes Tier. Warum mein Freund läufst du draußen rum, während alle anderen in Koppeln stehen? Mit gespitzten Lippen sucht er, ob die Tüte, aus der das Brot kam, noch etwas mehr hergibt, was ihm vielleicht schmeckt. Vorsichtig streichle ihn unterm Kinn und mache einige Fotos. Nichts, was ihn abhält sich neugierig umzuschauen. Scheint ein echter Gemütsesel zu sein und während er seine neugierige Nase in meinen Schlafsack schiebt, schlafe ich wohlig eingehüllt ein. Sorgen habe ich nicht. Was stört mich der Wind. Mitten in der Nacht weckt mich dann eine Windböe plötzlich auf und ich bemerke das noch offene Seitenfenster. Fröstelnd mache ich für einen Moment die Heizung an und schließe das Fenster, bemerke, daß ich wieder beobachtet werde, schaue, ob ich in der Finsternis etwas erkennen kann. Dieses Gefühl, nicht alleine zu sein, hat keine bestimmt Richtung und ich vergewissere mich der verriegelten Türen, blicke mich ängstlich um und dann endlich entdecke ich in der Dunkelheit den auf der Beifahrerseite stehenden Esel, welcher mich unentwegt anschaut. Mußt du mir so einen Schreck einjagen? Die Umgebung hat etwas Unheimliches und ich schalte kurz das Fernlicht an, sehe den riesigen, friedlich schlafenden Hund und bin sofort wieder beruhigt. Solange der sich nicht rührt, droht garantiert keinerlei Gefahr. In Kürze sollte ich seinen Namen erfahren.

Eselwanderung – Beweggründe & Bewegung – Auf den Spuren von Robert Louis Stevenson

Gedanken zu Anfang und eine Antwort auf die Frage, warum einer mit einem Esel wandern möchte.

Schatten schmal.
Eine Reise zum Geburtstag, eine Wanderung ganz allein, nur in Begleitung eines Esels. Das Tier als Gesellschaft und Weggefährte, schweigend und doch nicht still. Schon immer hielt ich Distanz für einen Zivilisationsgewinn und suchte mir Orte zum träumen. Fluchtmöglichkeiten für die Gedanken und kein Wort der Ablenkung, Robinson Crusoe als Abenteuer und Idee, vielleicht auch Vorbild und Anleitung für das eigene Leben. Es hätte, aus der Sicht eines Jugendlichen der in der DDR aufwuchs, sicher realistischere Ziele gegeben. Doch es waren in Jugendtagen genau diese Bücher, die mich faszinierten und gedanklich zum Reisenden machten. Kapitän Nemo des Kinderzimmers und später Alexander v. Humboldt am Orinoko. Heute hier und morgen da, manchmal allein und dann wieder mit Freunden. Noch nie konnte ich mich für eine Sache entscheiden und bis heute erhielt sich der Wunsch, selbständig die Richtung bestimmen zu können, mir nicht in Wege und Ziele hineinreden zu lassen – was auch für die Gedanken gilt. Das zeitlich begrenzte Alleinsein, und damit verbunden die Stille, ist eine große Verlockung, der ich hin und wieder erliege. Dann schnappe ich mir mein Surfboard, halte das Segel in den Wind und gleite weit hinaus auf die Ostsee. Oft weiter, als klug und vernünftig wär. Doch auf jedes bestandene Abenteuer folgt unausweichlich die Gewißheit, daß das Leben weitergeht. Vielleicht ein wenig beglückter, weil es gelang, der Begrenztheit zu entfliehen und Kolumbus gleich etwas entdeckt zu haben. Ist doch jede Wanderung, jede Reise, jedes noch so kleine Abenteuer, welches uns in Bewegung versetzt und hält, ein Stück erlebte Kulturgeschichte. So lange die Fremde uns anzieht und wir das andere mit Interesse verfolgen, wir neugierig sind – besonders im Geiste -, folgen wir oft einer inneren Bestimmung und werden schnell bemerken, wie leicht es sich denken läßt, wenn wir gehen, die Orte wechseln. Rousseau gar gestand, nur beim gehen denken zu können und wer ohne Hintergrundbeschallung in freier Natur läuft, wird wissen, daß nicht nur die Füße sich bewegen. Wir gehen im Geiste und gehen völlig befreit. Abenteuer und Reise in einem, auf Bewegung folgt Neues, bleiben viele Erinnerungen und für lange Zeit das Wohlgefühl, etwas für uns selbst getan zu haben. Steckt doch in jeder freigewählten Bewegung die Chance, den Richtungszwängen des Alltags zu entfliehen und Neues stellt sich ganz automatisch ein. Es ist wie mit der Reduzierung der Dinge, die wir für eine Reise als wichtig erachten; am Ende bleibt, was wirklich wichtig ist, kommt mit, was unentbehrlich scheint. Glücklich ist, wer seine Beweggründe in Bewegung umsetzen kann. Dort sein zu können wo man gerade nicht ist, war schon immer eine große Verlockung und nachdem ich die übliche Jugendliteratur verschlungen hatte, fielen mir Linnés „Lappländische Reise“, Alfred Brehms Besuch bei den Kirgisen und Jakob von Tschudis „Reiseskizzen aus Peru“ in die Hände. Was trieb wohl Adalbert von Chamisso um die Welt und wer die „Wundersamen Reisen des Caspar Schmalkalden nach West-und Ostindien 1642-1652“ kennt, wird wissen, welches Staunen einen urplötzlich überfallen kann, wenn unser Geist mit Neuem konfrontiert wird. Mit der Entfernung von dem einen Ort hin zu einem anderen lassen wir zurück, was belastet und einengt, was uns auf der Seele liegt. In Ruhe denken zu können ist wie die Fortsetzung eines schönen Traumes, aus dem man zu früh gerissen wurde und der ohne happy end unvollendet blieb. Im Gehen stecken Loslösung und Abstand und schnell haben wir das Gefühl, nicht untätig zu sein. Nichts ist schlimmer als erstarrende Verhältnisse, die uns festhalten und zur Untätigkeit verdammen. So ähnlich hat es Robert Louis Stevenson (1850-1894) wohl empfunden, als er im September 1878 eine Eselin erwarb, sie Modestine nannte und am 22. September den kleinen Ort Le Monastir-sur-Gazeille in Richtung Saint-Jean-du-Gard verließ. Ablenkung und Trost suchte er, Ruhe für die Gedanken in der Zeit des Wartens, während die geliebte Funny auf dem Weg nach New York war, um die Scheidung von ihrem Mann zu erreichen. Bloß nicht untätig sein, sondern in Bewegung bleiben: „„Ich für meinen Teil, ich reise nicht, um irgendwohin zu fahren, sondern um zu fahren. Ich reise um des Reisens willen. Die große Sache ist, sich zu bewegen.“ Ein Jahr später erschien sein Bericht „Reise mit dem Esel durch die Cevennen“.

„In Le Monastir lebte ein alter Mann, nicht ganz richtig im Kopf, wie manche meinten, ständig von den Gassenjungen gehänselt, und überall als Vater Adam bekannt. Vater Adam besaß einen Karren und um selben zu ziehen eine winzige Eselin, sie nicht viel größer als ein Hund, mausgrau, mit freundlichen Augen und einem energischen Kinn. Das Vieh hatte etwas Adrette an sich, schien aus gutem Stall und war von einer puritanischen Eleganz, was mich auf der Stelle für sie einnahm.“

Über viele Jahre hinweg blieb die Erzählung im Bücherschrank, stand neben der „Schatzinsel“ und „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ und war mir nur hin und wieder einen Gedanken wert. Vergessen ausgeschlossen. Was blieb, war das Staunen, welches in Tagträumen oft vorweggenommen wird und was ganz real werden kann, wenn wir gehen und uns in der Natur bewegen. Und wenn wir aufhören, in allen Dingen und Unternehmungen einen Sinn zu suchen, werden wir am Ende etwas erhalten, was uns dieser ewigen Frage viel näherbringt – Sinnlichkeit. Gehen, sehen, stehen, ausruhen und essen, die frische Luft tief einatmen, ohne Störung den eigenen Gedanken folgen können und einfach so dahinlaufen, einem Rhythmus folgen, der durch die Landschaft und den Esel bestimmt, ja vorgegeben wird. Müßte der Kopf nicht nach einer gewissen Zeit zu Ende gedacht haben, was angedacht war? Wie wird es sich anfühlen, wenn man nur noch geht und im hier und jetzt in Begleitung eines Esels unterwegs ist?

Die Antwort darauf würde ich nur finden, wenn ich der Idee aus Jugendtagen folgend eine Reise mache – diese Reise – und der Wanderlust nachgebe. Wanderlust … selbst die Engländer haben dafür kein besseres Wort gefunden.